Siemens doch unpatriotisch

BOCHOLT/KAMP-LINTFORT taz ■ Die Beschäftigten der Siemens-Werke Bocholt und Kamp-Lintfort reagieren auf Äußerungen des Siemens-Finanzvorstandes Karl-Heinz Neubürger, den Erhalt der 4.300 Arbeitsplätze an den beiden Standorten noch einmal zu überdenken, erbost. „Wir müssen uns fragen, wie vertrauenswürdig der Siemensvorstand in Zukunft noch ist“, sagte der erste Bevollmächtigte der IG-Metall Bocholt, Heinz Cholewa.

Noch im Juli hatte Siemens angekündigt, die Handy-Produktion von Bocholt und Kamp-Lintfort nicht nach Ungarn auszulagern. Grund hierfür war der im Juli verabschiedeter Ergänzungstarifvertrag, wonach die Beschäftigten beider Standorte der Verlängerung ihrer Wochenarbeitszeit von 37,5 auf 40 Stunden ohne Lohnausgleich zugestimmt hatten. „Auch Siemens muss sich an Zusagen und an geltende Verträge halten“, sagt IG-Metall-Vize Berthold Huber. Bundesweit fordert der Konzern nach Gewerkschaftsangaben von den mehr als 30.000 Beschäftigten zum Teil erheblichen Lohnverzicht und längere Arbeitszeiten – ohne Jobgarantie. Der Konzern wollte dies weder bestätigen noch dementieren.

Firmenbosse, Politiker und Gewerkschafter hatten den Abschluss von Bocholt und Kamp-Lintfort als „vorbildlich“ für andere Branchen bezeichnet. Der Chef der nordrhein-westfälischen CDU, Jürgen Rüttgers, hatte Verhandlungsführer Heinz Cholewa damals noch für seine „patriotische Leistung“ gelobt. Nun scheint der Abschluss hinfällig. „Neubürger spricht jetzt von kooperieren, verkaufen, schließen oder sanieren“, sagt Cholewa, „vor dem Hintergrund des Kompromisses macht er sich damit unglaubwürdig.“ Die Betriebsräte an beiden Standorten berieten gestern Abend über die weitere Vorgehensweise. HOP