: Nordseeinsel entdeckt Weltstar
Auf Langeoog drängeln sich die Gäste am Grab von Lale Andersen. Nun hat eine Goldschmiedin der „Lili Marleen“-Sängerin ein Denkmal gebaut
Ein schlichtes, rechteckig eingefasstes Blumenbeet, die Pflänzchen stehen in Reih‘ und Glied und auf dem rötlich-grauen Grabstein heißt es maximal reduziert: Lale Andersen. Sonst nichts. Kein Geburtsdatum, kein Todestag, keine Würdigung. Die anderen Grabsteine auf dem Dünenfriedhof der Nordseeinsel Langeoog wirken dagegen geradezu geschwätzig. Dabei seien es bei einigermaßen gutem Wetter während der Saison schon mal 300 Leute, die an einem Tag das Grab von Lale Andersen besuchten, sagt Anwohner Felix Jensen (Name v. d. Red. geändert).
„Das ist wie auf dem Jahrmarkt“, sagt Jensen. „Die Gäste kommen in Scharen zu dem Grab. Ich sage immer zu meiner Frau: Um halb elf musst du vom Friedhof verschwunden sein, sonst geht die Fragerei los.“
Falls es Frau Jensen nicht mehr rechtzeitig schafft, muss sie die Antworten parat haben, und die lauten: Lale Andersen wurde am 23.3.2005 in Bremerhaven geboren. Von ihr stammt das Lied „Lili Marleen“. Gestorben ist sie in Wien im Jahr 1972 und es war ihr Wunsch, auf dem Dünenfriedhof von Langeoog beerdigt zu werden. Denn Lale Andersen lebte seit 1945 auf Langeoog, in einem reetgedeckten Haus namens „Sonnenhof“. Mit ihrer Karriere war in der Nachkriegszeit nicht mehr viel los, erst 1959 gelingt ihr ein kurzes Comeback mit dem Schlager „Ein Schiff wird kommen“.
Die Strahlkraft von „Lili Marleen“ aber erreicht keines der späteren Lieder von Lale Andersen. Und das kann gar nicht anders sein: 1941 spielt der deutsche Soldatensender Belgrad „Lili Marleen“ zum Sendeschluss und Soldaten beiderseits der Front hörten zu. Von Belgrad aus gelangt der Song zu den englischen Truppen in Nordafrika und später auch durch Marlene Dietrich zu den Amerikanern. „Lili Marleen“ wird zu einer Schicksalshymne des Krieges, von den Soldaten geliebt, von NS-Propagandachef Goebbels als „wehrkraftzersetzend“ gehasst.
„Viele der Besucher des Andersen-Grabes kennen das Lied noch von damals“, sagt Anwohner Jensen. Und was passiert am Grab? Wird gesungen? „Nein. Gesungen nicht. Aber fotografiert.“
Fotos also, vom kargen Grabstein. Der Langeooger Goldschmiedin Eva Recker war das zu wenig. In den 1960er Jahren hat sie Andersen einmal live erlebt. „Seitdem habe ich diese Frau bewundert.“
Recker fertigte ein Andersen-Denkmal an: Lale in Bronze, lebensgroß, an eine Laterne gelehnt, wie einst Lili Marleen. 25.000 Euro kostet die Statue, finanziert aus Spenden. Recker selbst arbeite ehrenamtlich, betont sie. Eingeweiht wird das Denkmal an Andersens 100. Geburtstag am 23. März 2005.
„Das wird ein zusätzliches Highlight für Langeoog“ freut sich Bürgermeister Hans Janssen. Das Denkmal wird im Ortskern platziert. Passt bestens. Wie also geht’s weiter mit Andersen und Langeoog? „Das kann man schon weiter vermarkten“ sagt Janssen. „Wir planen eine Veranstaltung zum 100. Geburtstag von Lale Andersen.“
Vielleicht wird’s sogar ein ganzes Lale-Andersen-Jahr. Wobei bereits heute der Sonnenhof zur Gaststätte mit Andersen-Gedenkstücken geworden ist; zudem ist Andersen im Heimatmuseum ein Raum gewidmet; und auf dem Friedhof steht: „Lale Andersen“.
Klaus Irler