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Archiv-Artikel

Der große Andrang auf Injobs

Bremer Ein-Euro-Jobs heißen Integrationsjobs. Ob sie den Namen verdient haben, wird sich erst zeigen. Doch die Nachfrage nach dem Zusatzeinkommen ist enorm

Von ede

bremen taz ■ Der Andrang zu Bremens erster Injob-Börse in der Arbeitsagentur übertraf alle Erwartungen: 1.500 BremerInnen informierten sich dort gestern über Ein-Euro-Jobs. Ihnen traten rund 14 Anbieter von Zusatzjobs für Arbeitslosengeld II-EmpfängerInnen gegenüber – vom privaten Pflegedienst bis zum Beschäftigungsträger „Arbeit und Ökologie“. Von denen saßen am Nachmittag viele erschöpft hinter ihren Tischen, auf denen die Info-Broschüren bereits zur Neige gingen. „Meine Lippen fransen“, sagte der Mann vom Deutschen Roten Kreuz. 40 Injobber könnte er aufnehmen, dann hätte er eine Stunde pro Person pro Woche Zeit für jeden. Die Gretchenfrage nach der Art der Weiterbildung, die die Injobber während ihrer 35-Stunden-Woche erhalten sollen, kann er noch nicht beantworten – aber da ist er nicht alleine.

„Hausintern – oder das muss man dann sehen“, sagt auch der Geschäftsführer des privaten Pflegedienstes AKS, bei dem gestern der erste von insgesamt vier erhofften Ein-Euro-Jobbern anfing. „Vorlesen. Spazieren gehen. Begleitung. Alles was bei der Pflege keinen Platz hat“, erklärt Ronald Meißner. Auch bei der Arbeiterwohlfahrt AWO ist die Qualifizierungsfrage offen. Denkbar sei Weiterbildung beim eigenen Fortbildungsträger. Gerne wäre man sogar Träger eines eigenen „Netzwerks“ für vorerst 50 Injobs bei der AWO. „Wir haben ja viele Einsatzbereiche, vom Kindergarten bis zur Altenpflege“, sagt Heike Rohdenburg. Ein Wechsel innerhalb der AWO könne Injobbern doch entgegenkommen. Freilich, über die Bewerbungen für einen entsprechenden Wettbewerbsaufruf entscheidet die Bremer Arbeit GmbH im Januar. Rohdenburg weiß, Gretchenfrage Nummer zwei ist die Kontrolle der gemeinnützigen Arbeit – die reguläre Jobs nicht ersetzen darf.

Für die Arbeitsagentur war die kurzfristig einberufene Börse ein gestern notwendiger Erfolg: „15 Personen konnten sich spontan für die Aufnahme eines Integrationsjobs entscheiden. 80 erhielten gestern eine Zuweisung zu einem Träger“ – sie werden sich demnächst dort vorstellen, bilanziert Sprecher Jürgen Nowag. Bei der Agentur war die Besetzung von 560 angekündigten Injobs auf freiwilliger Basis nur schleppend angelaufen.

Die „Freiwilligkeit“ ist ein Thema unter Anbietern. „Wir brauchen Menschen, die motiviert sind“, heißt es beispielsweise beim Förderwerk – anders sei ein Projekt wie Nachbarschaftshilfe undenkbar. So sehen es die meisten Anbieter. Die große Nachfrage nach den Jobs deuteten gestern viele als einen Meilenstein: Auch wer gegenüber so genannten „Ein-Euro-Jobs“ vielleicht sehr skeptisch war, erkennt nun das große Interesse bei vielen Hilfe-BezieherInnen zwischen Ende 20 und 55. Einen ganzen Stapel Bewerbungen zum Hilfskoch hat beispielsweise Ercan S. mitgebracht. Krankenhäuser, Bäckereien und Imbisse haben ihm abgesagt. Jetzt will der 45-Jährige einen Einstieg per Ein-Euro-Job wagen. Ebenso Krankenschwester Marita K. Ihren Minijob bei einem Pflegedienst hat sie gekündigt. „Da wird mir ja alles abgezogen. Der Ein-Euro-Job bringt mehr“ – sucht sie jetzt nach einer einträglicheren Perspektive auf dem zweiten Arbeitsmarkt. ede