Angriff auf die Festung am Roten Meer

Fünf bewaffnete Männer erstürmen das extrem gesicherte US-Konsulat im saudischen Dschidda und nehmen mehrere Geiseln. Bei der gewaltsamen Erstürmung durch saudisches Militär kommen mehrere Angreifer und Sicherheitskräfte ums Leben

AUS KAIRO KARIM EL-GAWHARY

Das US-Konsulat in der westsaudischen Stadt Dschidda galt als eine der bestbewachten Einrichtungen im Königreich. Betonblöcke machen den Angriff mit einer Autobombe unmöglich. Bewaffnete Wächter patrouillieren an den Außenmauern. Am Eingang nimmt ein auf einen Jeep aufmontiertes schweres Maschinengewehr die Besucher ins Visier. Die US-Festung am Roten Meer galt als uneinnehmbar – bis gestern Vormittag, 11 Uhr.

Eine Gruppe von fünf Bewaffneten fuhr am Osttor vor, warf eine Handgranate und verletzte einen saudischen Soldaten schwer und einen weiteren leicht. Anschließend drangen die Männer in die Visa-Abteilung ein und nahmen mehrere Menschen als Geiseln, meist sudanesische und indische Antragsteller. Nachdem die Sicherheitskräfte offensichtlich zunächst versuchten, mit den Geiselnehmern zu verhandeln, kam es, nach Angaben des saudischen Innenministeriums, bald innerhalb des Gebäudes zu einer Schießerei, der vier saudische Nationalgardisten und drei der Attentäter zum Opfer fielen. Zwei weitere Attentäter konnten verletzt abgeführt werden.

Von US-amerikanischer Seite kamen unterschiedliche Meldungen. Alle im Konsulat arbeitenden US-Amerikaner seine wohlauf, hieß es aus der Botschaft in der Hauptstadt Riad, die all ihre Konsulate im Land sicherheitshalber anwies, die Pforten zu schließen. Ein nicht namentlich genannter Beamter des US-Außenministeriums erklärte dagegen in Washington, dass mehrere US-Amerikaner leicht verletzt worden seien.

Mehr als 100 Menschen sind seit Beginn der Anschlagserie in Saudi-Arabien ums Leben gekommen, die im Mai letzten Jahres begann. Der letzte große Anschlag ereignete sich allerdings nach einer längeren Periode der relativen Ruhe im Mai dieses Jahres, als eine Gruppe von Attentätern in eine Ausländersiedlung in der ostsaudischen Stadt al-Khobbar 19 Ausländer erschoss. Seitdem gab es zwar immer wieder kleinere Schießereien zwischen Sicherheitskräften und Militanten, und einige Ausländer wurden auf offener Straße aus vorbeifahrenden Autos erschossen, ein größeres Attentat blieb aber aus.

Ein Grund dafür war möglicherweise die Erschießung von vier mutmaßlichen hochrangigen Al-Qaida-Mitgliedern imSommer, darunter Abdel Aziz Murqin, der als Nummer eins Al-Qaidas auf der Arabischen Halbinsel gehandelt wurde. Mehr als die Hälfte der 26 meist gesuchten militanten Islamisten, die ständig im staatlichen Fernsehen vorgestellt wurden, sind inzwischen tot oder verhaftet. Sechs hatten im Sommer ein kurzfristiges Amnestieangebot angenommen und sich selbst gestellt.

Doch schon in den letzten Wochen kursierte, Al-Qaida habe sich lediglich zurückgezogen, um sich neu zu gruppieren. Die saudischen Behörden verbreiteten verbreiteten dagegen Optimismus: „Wir haben das Stadium des Terrors hinter uns gebracht“, erklärte der saudische Kronprinz Abdallah im August und wies darauf hin, dass es nur noch darum gehe, die verstreuten verbliebenen Militanten aufzugreifen.

Die „International Crisis Group“ schrieb in einem Bericht vor zwei Monaten, dass „die Militanten seit Mitte des Jahres ernsthafte Rückschläge einstecken mussten“, die die Organisation operativ geschwächt und politisch an den Rand gedrängt hätten. Der Bericht warnte aber zugleich, „dass die verbliebenen Kämpfer die Schwäche des saudischen Sicherheitsapparates ausnutzen könnten,“ auch wenn sie „nicht die Möglichkeit haben, einen breiteren islamistischen Umsturz zu organisieren und die Stabilität des Königreiches zu gefährden“.

Erst letzten April hatte auch das US-Außenministerium die saudischen Anti-Terror-Bemühungen in einem Bericht erstmals ausdrücklich gelobt. „Saudi-Arabien hat eine beispiellose Kampagne begonnen, um die Terroristen zu finden, deren Verschwörungen aufzudecken und deren Geldströme ausfindig zu machen“, heißt es im scharfen Kontrast zum Vorjahresbericht. Damit hätte auch eine neue Kooperation mit den US-Behörden begonnen, lobt der Bericht weiter.

Der Überfall war noch im Gange, da waren bereits einige der bekannten Internetseiten der militanten Islamisten voll des Lobes über die „gelungene Operation“. Die Bastion des Atheismus sei zerstört worden, zeigte sich ein Web-Diskussionsteilnehmer entzückt. „Wir haben uns über unsere Brüder auf der Arabischen Halbinsel Sorgen gemacht, aber Gott sei Dank haben sie gezeigt, dass es ihnen immer noch gut geht.“