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Archiv-Artikel

Buch macht froh

Der neue Literaturhaus-Leiter Rainer Moritz jovialt mit Denis Scheck

von Petra Schellen

Es war einmal ... tja, wie war es eigentlich? Hat sich der neue Literaturhaus-Chef, ab Februar Geschäftsführer und Programmleiter in Personalunion, selbst ernannt? Die Vorgängerin durch perfide Intrige in die Abdankung getrieben? Oder war es bloßes Ungeschick, das den Literaturhaus-Vereinsvorstand verleitete, die Ablösung von Programmleiterin Ursula Keller zum 1. Februar 2005 so zeitversetzt zu kommunizieren, dass ein maximaler Image-Schaden entstand?

Kaum erinnert man sich noch des merkwürdigen Prozederes im Herbst vorigen Jahres, das zum Ersatz Ursula Kellers durch Rainer Moritz führte; Protestnoten und -versammlungen der Literaturhaus-Vereinsmitglieder inbegriffen. Ein unrühmlicher Coup, den die Beteiligten wohl am liebsten vergessen möchten. Doch so sehr sie sich auch mühten, so wenig wollte es Rainer Moritz und seinem Gesprächspartner Denis Scheck bei der ersten öffentlichen Präsentation im Literaturhaus in dieser Woche gelingen, die Unbill ins Plusquamperfekt zu schieben, saß doch ein beträchtlicher Teil der Keller-Sympathisantenschaft im Publikum. Jovialität war da nämlich angesagt, atemlose Witzigkeit – und auch wenn Sachlichkeit aufkam, wusste Scheck dies sekundenschnell ins Triviale zu ziehen.

Dabei hatte die Performance durchaus Kalkül: So systematisch wurde dem Publikum nämlich das Hirn vernebelt, dass weder Fragen zu Qualitätskriterien noch nach dem Umgang mit knappen Finanzen keimten; vielleicht wurde dies angesichts der zelebrierten Lausbubigkeit als schlicht nicht zumutbar empfunden. Und gelacht werden soll künftig zünftig in den heiligen Hallen: Komische Literatur soll ein Schwerpunkt sein, die höchstselbige Performance bot einen ersten Vorgeschmack.

Dabei fand Moritz die allüberall geforderte Performancefähigkeit von Autor und Kritiker durchaus kritisierenswert und machte sich für ein gemischtes Programm stark, das nicht sklavisch saisonalen Zwängen folge. Auch Arrivierte wie Kempowski und de Bruyn werden zu Wort kommen; insgesamt aber solle ein Literaturhaus „natürlich Trends aufspüren“. Andersen, Schiller, Canetti und Stifter sind Kandidaten für die kommende Saison, Nachwuchsautoren auch. Das Philosophische Café, die Nordischen Literaturtage und die Verleihung des Cassens-Preises sollen fortgeführt und Schreibwerkstätten für Jugendliche eingeführt werden.

Interessante Pläne allesamt, die aber nur mühsam verbergen, dass sich das Programm mitnichten verjüngen und vermutlich ein gut Teil Konventionalität einziehen wird, damit man auch bloß heraustrete aus dem viel beschrienen Elfenbeinturm. Vor dem Rainer Moritz beträchtliche Angst zu haben scheint, an dessen Legitimität er aber ganz tief innen vermutlich gar nicht zweifelt: Wäre sonst eine so laut kalauernde Selbstvergewisserung nötig gewesen?