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Archiv-Artikel

Knast für Berlusconi-Mann

Marcello dell’Utri, enger Vertrauter des italienischen Regierungschefs, wird in Palermo wegen aktiver Unterstützung der Mafia zu neuen Jahren Haft verurteilt. Berlusconi kritisiert „politisierte Justiz“

AUS ROM MICHAEL BRAUN

Marcello Dell'Utri, einer der engsten Vertrauten Silvio Berlusconis, wurde am Samstag in Palermo zu neun Jahren Haft verurteilt. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass Dell'Utri mehr als 20 Jahre aktiver Unterstützer der Mafia war, genauer: „Botschafter der Mafia“ in Berlusconis Unternehmen Fininvest.

1974 hatte der heutige Ministerpräsident und damalige Bauunternehmer seinen Studienfreund Dell'Utri als „persönlichen Sekretär“ angeheuert. Seitdem haben die beiden Seite an Seite Karriere gemacht. Als Berlusconi 1980 ins TV-Geschäft einstieg, betraute er Dell'Utri mit dem Aufbau der fürs Werbe-Inkasso des neuen Medienkonzerns verantwortlichen Tochtergesellschaft Publitalia. Als der zum größten TV-Anbieter des Landes Aufgestiegene 1993/94 in die Politik ging, rief er wieder Dell'Utri: Der war der Architekt der damals entstandenen Partei Forza Italia. Als Berlusconi jetzt einen Relaunch der Partei für nötig hielt, ernannte er wiederum Dell'Utri zum Koordinator.

Glaubt man den Staatsanwälten in Palermo, war Dell'Utri für Berlusconi so wertvoll, weil er hervorragende Beziehungen in der Cosa Nostra hatte. Anfangs ging es Berlusconi vor allem um Schutz vor den Mafiosi: Er fühlte sich von Entführung bedroht. Dell'Utri half: Er vermittelte den Palermitaner Boss Vittorio Mangano 1974 an Berlusconi. Mangano arbeitete als „Stallknecht“ auf dessen Anwesen, war tatsächlich aber Leibwächter. Als er verhaftet wurde, musste sich der Unternehmer von dem peinlichen Angestellten trennen. Kein Grund für Dell'Utri, den Kontakt zu Mangano abzubrechen.

Dell'Utri, so die Staatsanwaltschaft, soll über Jahre ein positives Verhältnis zwischen dem Berlusconi-Konzern Fininvest und der Cosa Nostra geschaffen haben. Nicht nur seien Schwarzgelder der Mafia bei der Fininvest investiert worden. Die Mafia habe von 1993 an auch den Aufbau der Forza Italia unterstützt.

Dell'Utri verteidigte sich in dem Prozess, in dem mehr als 40 Kronzeugen aus den Reihen der Mafia aussagten, mit der Behauptung, die Vorwürfe seien aus der Luft gegriffen, beruhten auf „Verleumdungen von Verbrechern“ und „reinen Theoremen“ der Staatsanwälte. Gewiss, er habe auch hochrangige Mafiosi getroffen – nur habe er nicht gewusst, dass die zur ehrenwerten Gesellschaft gehörten.

Wer sich vor Gericht gar nicht äußern wollte, war Silvio Berlusconi. Auch gegen ihn war wegen der Mafiakontakte ermittelt worden, dann aber hatten die Staatsanwälte ihn als „bewusstes Opfer“ eingestuft – als jemanden, der sich den von Dell'Utri unterstützten Anliegen der Mafia nicht entziehen konnte.

Jetzt schlägt Berlusconi wieder auf die „politisierte Justiz“ ein, die ihm die Freude an seinem Freispruch vom Freitag mit der Verurteilung Dell'Utris vergällt. In Sachen Richterhetze schoss diesmal der Innenstaatssekretär Alfredo Mantovano den Vogel ab. Er verglich die Richter von Palermo mit den abziehenden deutschen Nazitruppen: Auch die hätten mit ihren letzten Gräueltaten zeigen wollen, „dass das Reich noch existiert“.