Jung und trotzdem Metaller

Alt und unflexibel das ist das gängige Gewerkschaftsklischee. In Bremen ist die Zahl der Jugendlichen, die in die IG Metall eintreten, in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen

Bremen taz ■ Es gibt ihn noch, den Gewerkschafts-Nachwuchs: 230 von 500 neuen Auszubildenden in Bremen sind 2003 in die IG Metall eingetreten. Und obwohl es hier immer weniger Azubis gibt, ist die Zahl derjenigen, die sich für Gewerkschaften entscheiden, in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen.

Nebil Rebaoui etwa konnte in diesem Jahr alle 140 neuen Azubis in seinem Betrieb überzeugen, der IG Metall beizutreten. Nebil ist 23 und bei DaimlerChrysler in Bremen als Jugend- und Auszubildendenvertreter freigestellt als Betriebsrat für den Nachwuchs. Die Stimmung unter den Azubis sei durchaus kämpferisch, sagt Nebil – seit Mitte Dezember laufen die Verhandlungen über die neue Tarifrunde, im Januar endet die Friedenspflicht, während der die IG Metall nicht streiken darf. „Dauernd fragen die Azubis: Wann ist denn jetzt der erste Warnstreik?“ Über den Vorschlag von BDI-Chef Michael Rogowski, Azubis sollten auf einen Teil ihres Lohns verzichten, lachten die Azubis nur, so Nebil: „Die sagen sich auch: Beim Verzichten können wir ja erstmal mit Rogowski selbst anfangen.“

Langfristig werde die bedrohliche Situation auf dem Arbeitsmarkt für die Gewerkschaften arbeiten, glaubt Stefanie Meyer, Jugendprojektsekretärin der IG Metall in Bremen: „Das Bewusstsein wächst, dass man sich organisieren muss.“ Doch nicht immer wird sie von den Azubis auf ihren Besuchen in Bremer Metall-Betrieben begeistert empfangen. „Da höre ich schon so Sachen wie ‚Geh mir weg mit Deiner 35-Stunden-Woche‘ oder ‚Die Wirtschaft ist am Ende und Ihr gebt ihr noch den Todesstoß mit Euren Forderungen‘“, erzählt Meyer. Vor allem in kleinen Betrieben, in denen es keinen Betriebsrat gibt, keinen freigestellten Jugendvertreter und dafür mehr Identifikation mit der Firma, sei das Verständnis für die Politik der IG Metall gering. Anders in Groß-Unternehmen: „Die Azubis bei DaimlerChrysler wissen natürlich: Ihr Unternehmen wirft jede Menge Schotter ab, da wollen sie etwas abbekommen von dem Kuchen“, so Meyer.

Mit dem Solidaritätsgedanken habe das nicht viel zu tun. „Die erste Frage in den Info-Gesprächen ist häufig: Was hab’ ich davon, wenn ich beitrete?“ Zwischen denen, die sich in der Gewerkschaft engagieren, und jenen, die bei den Attac-Globalisierungskritikern arbeiten, sieht sie Unterschiede: „Unsere Jugendlichen sind näher an der Praxis, bei Attac denken sie losgelöster vom einzelnen Betrieb.“

Der überzeugte Jung-Gewerkschafter Nebil spricht hingegen manchmal wie ein Alter. Wenn man ihn fragt, wie sehr die Debatte um den IG-Metall-Vorsitz der Gewerkschaft geschadet habe, sagt er: „Streit gibt’s in jeder guten Familie, daran sollte man sich nicht aufhalten.“ Und angesprochen darauf, worin er das Potential der Gewerkschaften sieht, antwortet er grinsend: „Na, Mitbestimmung“. D. Siegle