Größer als Lance Armstrong: Lothar Mittag

Lothar Mittag ist Bürgermeister der münsterländischen Kleinstadt Rhede. Und er ist ein Grüner. Für die anstehende Kommunalwahl im September 2004 hat Mittag jetzt sogar die Unterstützung der Sozialdemokraten – gegen die CDU

Lothar Mittag sitzt neben Lance Armstrong und winkt. Der kleine Tour-de-France-Sieger sieht mickrig aus neben dem großgewachsenen Bürgermeister von Rhede. In einem Cabrio fuhren beide im vergangenen Jahr durch die Rheder Innenstadt, als Armstrong an einem Radrennen teilnahm. Lothar Mittag genoss den Jubel von 50.000 Zuschauern. „Das gehört zu den angenehmen Seiten des Jobs“, sagt Mittag. Seit fünf Jahren ist er nun Bürgermeister im westmünsterländischen Rhede. Er ist einer von zwei grünen Rathauschefs in NRW.

Bei der Kommunalwahl im September 1999 konnten die Wähler erstmals direkt ihre Stadtoberhäupter wählen. Im 18.000-Einwohner-Städtchen Rhede schien der Wahlausgang klar. Die seit Kriegsende im Münsterland dominierende CDU würde das Rheder Rathaus gewinnen. Doch CDU-Kandidat Rainer Kampmann verfehlte die absolute Mehrheit. Überraschender Zweiter war der Grüne Mittag. Der Lehrer kam auf 25 Prozent und qualifizierte sich für die Stichwahl. Sensationell besiegte Mittag den konservativen Favoriten. Fast 54 Prozent erreichte der Grüne. CDU-Kandidat Kampmann verließ daraufhin Rhede und wurde Kämmerer in Gelsenkirchen. Lothar Mittag sitzt seitdem im Rathaus und muss mit einer absoluten CDU-Mehrheit kämpfen.

Seit Mittags Amtsantritt versuchen die Christdemokraten alles, um es dem Vertreter der Öko-Partei schwer zu machen. Von einem konfrontativen Klima zwischen Rat und Rathausführung berichten Beobachter der Rheder Kommunalpolitik. Gegen des Willen des Bürgermeisters setzte die CDU Warengutscheine statt Bargeldzahlungen für politische Flüchtlinge durch. „Enttäuschend ist, dass die CDU nicht davon zu überzeugen war, dass Asylbewerber auch einen Anspruch auf eine menschliche Behandlung haben“, sagt Mittag etwas bitter. Mittag verweist auf die Bilanz seiner Amtszeit – und wirkt dabei trotzdem ein bißchen stolz. Eine Solarsiedlung hat er durchgesetzt, die Bürger direkt an kommunalen Entscheidungen beteiligt. Eine grüne Bürgermeisterschaft gebe es wohl nicht, sagt Mittag. „Aber das Herz bleibt grün.“

Die grüne Basis steht voll hinter ihm – genauso die SPD. Unlängst verzichteten die Rheder Sozialdemokraten darauf, einen eigenen Bürgermeister-Kandidaten aufzustellen. „Dieser Mann ist ein Phänomen“, sagt ein Rheder Christdemokrat ehrfürchtig über Mittag. Der Schnauzbartträger und Familienvater sei ein Menschenfischer. Der 49-Jährige weiß, wie man mit Landwirten und katholischen Hausfrauen reden muss. Fast erinnert Mittag an den Bundesaußenminister. Wie Joschka Fischer trägt der Amtsträger gern feinen Zwirn und hat einen Schlag beim bürgerlichen Lager. Mittag setzt 2004 jedenfalls auf Sieg. „Ich will weitere fünf Jahre für Rhede arbeiten“, sagt er. Wenn der Stress im kommenden Wahlkampf zu schlimm wird, bewältigt Mittag ihn mit Musik. Seine Band heißt „Six Pack“.

MARTIN TEIGELER