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Archiv-Artikel

Gnade vor Recht

Der Fall des 16-jährigen Emil Avanesian aus Armenien veranlasst CDU-Politiker Wolfgang Kramer, gütiges Ausländerrecht einzufordern. „Gnadenkommission“ soll helfen

Wolfgang Kramer hat eine Vision: Der ehemalige CDU-Bürgerschaftsabgeordnete wünscht sich für Hamburg eine „Gnadenkommission“, die von Abschiebung bedrohte Ausländer vertritt. Anders als der Eingabenausschuss der Bürgerschaft müsse das Expertengremium politisch unabhängig agieren, fordert Kramer. Die Instanz solle aktiv werden, wenn der Eingabenausschuss helfen will, die Ausländerbehörde aber aus rechtlichen Gründen widerspricht. „Es muss auch mal Gnade vor Recht ergehen“, meint Kramer. „Denn die Kompliziertheit des Lebens kann man nicht in Gesetze fassen.“

Anlass, den Vorschlag jetzt öffentlich vorzubringen, ist die drohende Abschiebung eines Schülers aus Armenien. Emil Avanesian lebt mit seinen Eltern und seinem Bruder seit elf Jahren auf St. Pauli. Der heute 16-Jährige kam 1992 schwer krank nach Hamburg. Die Sozialbehörde hatte ihn eingeladen, sich hier gegen Epilepsie behandeln zu lassen — eine Krankeit, für deren Therapie in Armenien die Mittel fehlten.

Deutsche Ärzte bezweifeln, dass sich die Lage inzwischen gebessert hat und Emil in der Ex-Sowjetrepublik versorgt würde. Doch die Ausländerbehörde duldet die Familie nur noch bis zum 13. Januar in der Stadt. „Juristisch mag das in Ordnung sein“, sagt Pfarrer Wilm Sanders von der St. Ansgar Gemeinde, der Emil angehört. „Aber es ist inhuman.“

Ralph Bornhöft, der Leiter des Einwohner-Zentralamts, begründet die Entscheidung so: „Der Antrag der Familie auf Asyl wurde abgelehnt, darum muss sie nun ausreisen.“ Dass Emil vielleicht allein hier bleiben darf, ist für die Familie kein Trost. „Der junge Mann hat mir geschrieben und auf seine Krankheit wie seine Hochbegabung hingewiesen“, berichtet Bornhöft über den Schüler, der in einer Mathematik-Begabtenförderung ist. Jetzt erwäge seine Behörde, Emil den Aufenthalt bis zum Abitur zu gestatten. Für Familie Avanesian ist das aber keine Lösung. Mutter Anaida sagt: „Ich werde mein Kind nicht alleine lassen.“

Um für die ganze Familie ein Bleiberecht zu erwirken, hat CDU-Politiker Kramer eine Petition in die Bürgerschaft eingebracht. Kurz nach der Wahl am 29. Februar will er zudem sein Konzept einer Gnadenkommission vorlegen. Bleibt abzuwarten, ob auch die Avanesians dann in den Hamburger Blättern darüber lesen können. EVA WEIKERT