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Archiv-Artikel

Der verordnete Winterschlaf gegen rechts

Jedes Jahr zur Weihnachtszeit bangen Initiativen gegen rechts darum, wie es weitergehen soll. Sie müssen ihre Mitarbeiter in die Arbeitslosigkeit schicken und sich faktisch verschulden, um im neuen Jahr weitermachen zu können

BERLIN taz ■ Die Arbeitslosigkeit kommt pünktlich. Jedes Jahr am 1. Januar sitzen 11 Mitarbeiter des Miteinander e. V. im sachsen-anhaltinischen Halle auf der Straße. Der Verein, der Opfern rechtsextremer Gewalt hilft, macht Zwangspause. „Fünf Leute sind dann noch da“, sagt Vereinschef Roman Ronneberg, „wir sind praktisch arbeitsunfähig.“

Ronneberg geht es wie vielen LeiterInnen von Anti-rechts-Initiativen, die über die Bundesprogramme Civitas und Entimon oder über Ländermittel ihr Budget bestreiten. Ihr Zuschüsse fließen nur ein Jahr – dann müssen die Vereine neue Förderanträge stellen. Zusagen für genehmigte Verlängerungen kommen häufig erst im Februar des begonnenen Geschäftsjahres. Das heißt, die Vereine können oft über Wochen keine Arbeitsplatzsicherheit bieten oder gar Leute einstellen. „Wir sagen ohne Geld nichts zu“, sagt Ronneberg. Deshalb holen sich beispielsweise Direktoren, die ihre Lehrer im Umgang mit rechten Schülern schulen wollen, im Frühjahr oft Absagen.

Die Mitarbeiter indes arbeiten oft ohne Vertrag weiter. „Eigentlich ist das illegal“, sagt ein Opferberater, „aber alles andere wäre absurd.“ Im für die Bundesprogramme zuständigen Familienministerium heißt es, man kenne die Schwierigkeiten. „Aber die Mittel werden nun einmal aus dem Haushalt bereitgestellt“, sagt eine Sprecherin. Und den bestimme eben jährlich der Bundestag. In den Ländern gibt es das gleiche Problem – und die Gründe sind nicht nur haushaltstechnische. „Das Thema Rechtsextremismus unterliegt politischen Konjunkturen“, sagt ein SPD-Bundestagsabgeordneter. „Schwindet das Interesse, werden diese Mittel gekürzt.“ Deshalb seien langfristige Vereinbarungen nicht gewollt.

Viele Initiativen müssen sich wegen der Förderunsicherheit verschulden. „Wenn wir im nächsten Jahr keine Förderung bekommen, sitzen wir auf 9.000 Euro Minus“, sagt etwa Grit Hanneforth vom Kulturbüro Sachsen in Dresden. Sechs Mitarbeiter müssen in hunderte Dörfer und Kleinstädte fahren, um Opfer rechtsextremer Gewalt zu betreuen. Hanneforth hat deswegen Leasingverträge für drei Skoda abgeschlossen, die weit über ein Jahr hinausgehen. Die Verbindlichkeiten laufen also auch nach Silvester weiter, obwohl nicht klar ist, ob weiter Geld fließt. „Diese Unsicherheit macht uns fertig“, sagt der Mitarbeiter einer anderen Initiative. „Und kontinuierliche Arbeit können wir so nicht machen“. Seinen Namen will er nicht nennen – aus Angst, Geld zu verlieren.

Das Familienministerium hat nämlich eine Schweigeklausel erlassen. Nur das Ministerium „kommuniziert über Thema, Inhalt, Ergebnisse oder sonstige Einzelheiten zum Programm Civitas“. So steht es in den „Hinweisen für die Öffentlichkeitsarbeit“. Die Anweisung ist eine Reaktion auf Sticheleien der Union gegen die angeblich uneffektiven Staatsprogramme. Eine Sprecherin des Ministeriums meint, „den Initiativen ist aber Kritik nicht verboten“. Die sehen den Brief aus Berlin trotzdem als „Maulkorberlass.“

Öffentliche Kritik gibt es daher selten. Viele Initiativen sind froh, dass die Bundesregierung nach den Wahlerfolgen der Rechtsextremen die Kürzungen bei der Förderung wieder zurückgenommen hat. Kulturbüro-Chefin Hanneforth sagt, man habe „sich wohl an vieles gewöhnt“. Dass es anders geht, zeigt Xenos, ein Programm gegen Fremdenfeindlichkeit. Es läuft über drei Jahre. Bezahlt wird es von der EU – ohne jährliche Zwangspause. DANIEL SCHULZ