Abenteuerspielplatz Eiszeit

MUSEUMSPÄDAGOGIK Das Hamburger Helms Museum hat die Präsentation seiner archäologischen Ausstellung revolutioniert. Die Spiele-Firma Ravensburger verwandelte es in eine Erlebnis-Landschaft

„Im Mittelpunkt steht stets die Frage: Was geht es mich an?“

Museums-Direktor Rainer-Maria Weiss

Hinterm Gletscher wartet die Erkenntnis. Eine lehmfarben lackierte Landschaft aus Spritzbeton führt in die spärlich beleuchtete Welt nach der jüngsten Eiszeit. Das Skelett eines Riesenhirschs mit dem Stockmaß eines Ackergauls und der Spannweite eines Seeadlers fängt den Blick. Wir stehen in der Welt des ältesten Hamburgers, dessen 9.000 Jahre altes Schädeldach auf einer Stele bewundert werden kann, ebenso wie das älteste Paddel des Kontinents, das vor 7.000 Jahren bei Duvensee östlich von Hamburg gebraucht wurde.

Das Helms-Museum in Hamburg-Harburg hat sich nicht nur umbenannt – in „Archäologisches Museum Hamburg/ Helms-Museum“ – sondern sich für 1,8 Millionen Euro neu erfunden. Statt in Vitrinenreihen präsentiert es viele seiner Kostbarkeiten wie gerade gefunden: Unter stabilen Glashauben können sie in der von Geröll durchsetzten Lehmlandschaft gefunden werden. Ziel sei es gewesen, die Ausstellung „auf Familien zu fokussieren“, sagt Museumsdirektor Rainer-Maria Weiss.

Die Archäologen haben sich dafür externen Sachverstand von der Spiele-Firma Ravensburger eingekauft, die nebenher Erlebniswelten konzipiert. „Wir brauchten jemand, der weiß, welche Farbe eine Kurbel haben muss, damit sie von Kindern gerne benutzt wird“, sagt Weiss. Was dabei herausgekommen ist, ist in spektakulärer Weise gleich am Eingang zu besichtigen. Der „Gletscher“, durch dessen Spalte die Ausstellung betreten wird, besteht aus 25.000 weißen Eiswürfelbereitern.

Der Gletscher steht damit für eine zentrale Idee der Präsentation: Sie versucht, eine Brücke zwischen den Exponaten und dem Leben heute zu schlagen. „Im Mittelpunkt steht stets die Frage: Was geht es mich an?“, sagt Weiss. Deshalb hat er beim Umbau die Decke mehrfach durchbrechen lassen, so dass die Besucher von der Vergangenheit im Erdgeschoss in die Gegenwart im ersten Stock und zurück blicken können.

Das Prinzip wird in vielfacher Weise umgesetzt. Im ersten Stock steht eine aus Schweinefleisch-Konserven gebaute Sau. Daneben liegen ein Eberzahn und eine Jagdlanze – wohl um zu zeigen, wie einfach wir es heute haben. Statt dem Schwein im Wald nachstellen zu müssen, brauchen wir bloß den Büchsenöffner anzusetzen. Andernorts finden sich Sicheln aus Stein und Bronze zum Kornschneiden in einer Vitrine, die in einen riesigen aufgerissenen Müsli-Riegel verpackt ist – ein Fremdkörper in der Steinzeitlandschaft.

Auch zum Ausprobieren gibt es Gelegenheit. In den Boden sind zwei Mülltonnen eingelassen: eine mit den Funden aus einer historischen Abfallgrube, eine mit modernem Müll. Die Aufgabe lautet, aus dem modernen Müll zu schließen, wie derjenige wohl lebt, der ihn hinterlassen hat – so arbeiten ArchäologInnen. GERNOT KNÖDLER

Das Museum wird heute wieder eröffnet. Ab 10 Uhr gibt es Führungen, von 15 bis 17 Uhr Mitmach-Kurse. Am Sonnabend von 18 bis 2 Uhr öffnet das Haus zur langen Nacht der Museen. Dazu gibt es Vorträge und Steinzeit-Mahlzeiten.