: Kleinbetriebe ohne Zukunft
Flutwelle zerstört ganze Wirtschaftszweige. Sri Lanka besonders betroffen
TOKIO taz ■ Die Tourismusindustrie in Südostasien dürfte am stärksten betroffen sein. Auf den Malediven leben zwei Drittel aller Arbeitskräfte vom Tourismus, in Thailand und Indonesien sind es immerhin 10 Prozent. Zehntausende haben Angehörige verloren, aber auch ihre Lebensgrundlage. Der Wiederaufbau wird laut Experten mindestens ein halbes Jahr in Anspruch nehmen. Ohne Zukunft stehen Kleinbetriebe da, Restaurateure und Souvenirverkäufer, die vom Tourismus lebten und im Unterschied zu den multinationalen Hotelgruppen selten versichert sind. Schwer in Mitleidenschaft gezogen wurde auch die Fischerindustrie. In Sri Lanka wurde sie laut Angaben aus Colombo nahezu ausgelöscht .
Vielerorts zerstört wurde die Wasser- und Stromversorgung, aber auch Straßen und Telefonleitungen. Hingegen hielten in mehreren südostasiatischen Ländern Hafenanlagen und Ölraffinerien der gewaltigen Flutwelle stand. Die Anlagen von Exxon Mobil auf Aceh erlitten laut Nachrichtenagenturen nur geringe Schäden. In Indonesien, einem der größten Exporteure von natürlichem Flüssiggas, befinden sich die Produktionsanlagen zu einem großen Teil außerhalb des Katastrophengebiets. Auch sind in mehreren der 10 betroffenen Ländern Anbaugebiete für Reis weit genug von den Küstenregionen entfernt.
Der Präsident der Weltbank, James Wolfensohn, sagte am Mittwoch, die wirtschaftlichen Folgen der Naturkatastrophe ließen sich erst erahnen. Die Entwicklungsbank rief dazu auf, die internationalen Hilfsmaßnahmen im Unterschied zu früheren Hilfsaktionen besser zu koordinieren. Die Asiatische Entwicklungsbank hält es für verfrüht, den Schaden zu beziffern. Die Weltbank bietet an, gebundene Kredite für humanitäre Hilfe zu beanspruchen. Ob zusätzliche Gelder notwendig sind, wird davon abhängen, wie viel die internationale Gemeinschaft leistet. Mehr als 20 Staaten haben bisher 60 Millionen US-Dollar Soforthilfe versprochen.
Die wirtschaftlichen Folgen werden auch nach Einschätzung der französischen Kreditversicherung Coface begrenzt sein. Der Coface-Südasienexperte Yves Zlotowski sagte gestern im französischen Rundfunk, „wir haben es mit sehr differenzierten Wirtschaften zu tun, mit Textilwirtschaft, Landwirtschaft, Biotechnologie und Industrie.“ Die besonders dynamischen Industriebranchen und Dienstleistungen seien nicht betroffen worden. Positiv sei auch, dass die Infrastruktur von den Flughäfen bis zu den Straßen nicht beschädigt sei.
Die Finanzhilfe, so Zlotowski, dürfte die wirtschaftlichen Kosten der Katastrophe schnell ausgleichen. Sie sei aber kurzfristig nötig, weil Länder wie Indien und Sri Lanka stark verschuldet seien und wenig finanziellen Handlungsspielraum hätten. Insbesondere in Indien mit seiner Hochtechnologie und Landwirtschaft sowie im ölreichen Indonesien dürfte die Wirtschaft nicht allzu sehr leiden. Thailand sei eine Industrie- und Agrarmacht, und nur ein Teil der touristischen Infrastruktur sei betroffen. MARCO KAUFMANN