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Archiv-Artikel

Sextouristen mit blauen Helmen

UN-Untersuchungsbericht bestätigt Vorwürfe sexueller Gewalt durch UN-Soldaten im Kongo. Aber auch lokale Milizen im Ostkongo vergewaltigen routinemäßig

BERLIN taz ■ Blauhelmsoldaten in der Demokratischen Republik Kongo vergewaltigen routinemäßig kongolesische Frauen und Mädchen oder beuten sie sexuell aus. Ein am Freitag veröffentlichter Bericht der UN-Abteilung für interne Kontrolle (OIOS) beschreibt das Problem als „ernsthaft und andauernd“ und sagt, es stelle eine Herausforderung für UN-Friedenseinsätze weltweit dar. „Wir sind schockiert, empört und angeekelt“, sagte William Swing, Leiter der UN-Mission im Kongo (Monuc), in New York auf einer Pressekonferenz. Jean-Marie Guéhenno, Leiter der UN-Abteilung für Friedensmissionen (DPKO), sagte, die Vorfälle hätten das Vertrauen der Kongolesen in die UNO „zerstört“.

Der Bericht ist Ergebnis einer fünfmonatigen Untersuchung in der nordostkongolesischen Stadt Bunia, seit 2003 Schwerpunkt der UN-Stationierung im Kongo. Zwischen Mai und September 2004 gingen UN-Sonderermittler dort 72 Vorwürfen sexueller Übergriffe nach. 20 davon seien ausreichend erhärtet worden, um weitere Untersuchungen gegen die Täter zu ermöglichen. Einer davon betraf einen UN-Zivilangestellten aus Frankreich, die anderen UN-Soldaten aus Marokko, Nepal, Pakistan, Südafrika, Tunesien und Uruguay. Die Opfer – zumeist Angehörige mittelloser Flüchtlingsfamilien – waren zum Teil lediglich 13 oder 14 Jahre alt und wurden für Sex mit bis zu fünf US-Dollar oder zwei Eiern bezahlt, führt der Bericht aus.

Es sei für die Ermittler sehr schwer gewesen, das Vertrauen der jungen Mädchen zu gewinnen, sagte OIOS-Chefin Barbara Dixon. Es sei dringend nötig, vertrauensbildende Maßnahmen für Opfer von UN-Übergriffen zu schaffen. Da UN-Soldaten regelmäßig in neue Einsatzgebiete verlegt werden, müsse nun verhindert werden, dass im Kongo negativ aufgefallene Blauhelmsoldaten einfach woanders zum Einsatz kommen. In vielen Fällen waren die beschuldigten Blauhelme aus Bunia schon nicht mehr im Land.

Die Ermittler weisen darauf hin, dass sie bei ihrer Arbeit auf erhebliche Widerstände innerhalb der UN-Truppe stießen. Zweimal hätten UN-Kommandeure ausgetauscht werden müssen, die die Untersuchung der sexuellen Aktivitäten ihrer Soldaten blockierten. Es herrsche „ein Gefühl von Straflosigkeit“ bei den Blauhelmsoldaten, so der Bericht. „Offensichtlich hatte die Untersuchung keine abschreckende Wirkung auf die Soldaten.“ Der sexuelle Missbrauch dauere an.

Da die Untersuchung auf Bunia beschränkt war, ist davon auszugehen, dass die Zahl der Fälle im ganzen Land weit höher ist. Im ostkongolesischen Goma haben Experten gegenüber der taz solche Übergriffe durch Blauhelmsoldaten bestätigt, wobei aber bei manchen Hilfswerken große Scheu besteht, darüber zu reden. Sie weisen darauf hin, dass Vergewaltigung von Kongolesinnen durch lokale Milizen ein weitaus größeres Problem sei – allein bei einem deutschen Hilfsprojekt in der ostkongolesischen Stadt Bukavu haben sich seit 2002 10.000 Frauen mit medizinischen Problemen infolge von Vergewaltigung gemeldet, zumeist von ruandischen Hutu-Milizen verübt. Ärzte ohne Grenzen, amnesty international und das in Goma ansässige kongolesische Pole Institute haben die sexuelle Gewalt als Kriegswaffe im Ostkongo in jüngster Zeit ausführlich untersucht.

DOMINIC JOHNSON