: Drogenübergeben ist verhältnismäßig
Darf die Polizei angeblichen Drogendealern mit Gewalt Brechmittel einflößen? Nach dem Tod eines Afrikaners in Bremen will Innensenator das neu prüfen. Körting hatte das Prozedere 2001 verboten, dann aber wieder erlaubt
Innensenator Ehrhart Körting (SPD) denkt mal wieder über das Thema Brechmittel nach – ob sich was ändert, darf angezweifelt werden. „Wir halten den Einsatz von Brechmitteln bisher für bedenkenlos – schließen aber nicht aus, ihn neu zu diskutieren“, sagte Körting gestern im Innenausschuss. Dies geschehe jedoch erst, wenn ein angeforderter Bericht aus Bremen vorliege.
In der Hansestadt ist vor einer Woche ein Mann aus Sierra Leone gestorben, nachdem ihm die Polizei gewaltsam ein Brechmittel und große Mengen Wasser eingeflößt hatte. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen zwei beteiligte Ärzte wegen des Verdachts fahrlässiger Tötung.
Auch in Berlin ist es üblich, mutmaßlichen Drogendealern Brechmittel zu verabreichen, wenn die Polizei vermutet, dass sie Drogenpäckchen geschluckt haben. Seit März 2004 traf diese Maßnahme 41 Verdächtige. 37 nahmen das Medikament freiwillig, 4 wurden mit einer Magensonde dazu gezwungen – genau wie in dem Fall mit Todesfolge in Bremen. Ob die Brechmittelgabe zulässig ist, entscheidet hier ein Arzt: In zehn Fällen hätte er das abgelehnt, betont die Innenverwaltung. Und: 17 hätten Drogenpäckchen ausgespuckt. Körting stellt sich jetzt die Frage: Haben die Bremer Kollegen die Mittel unsachgemäß angewendet, oder bergen diese generell Gefahren? „Wenn die Risiken zu hoch sind, darf der Staat das nicht anwenden“, sagt er.
Für Grünen-Fraktionschef Volker Ratzmann dagegen ist klar: Die zwangsweise Verabreichung muss ausgesetzt werden: „Die Methode gefährdet die Menschen. Es gibt gute Gründe dafür, den natürlichen Ausscheidungsprozess abzuwarten.“
Schon im Dezember 2001 war ein angeblicher Drogendealer in Hamburg nach dem Prozedere gestorben. Innensenator Körting hatte danach die Zwangsgabe des Mittels verboten. Seit März 2004 darf die Polizei wieder zulangen. Gerichtsmediziner hätten das Verfahren für „verhältnismäßig“ befunden, so die Innenverwaltung. ULRICH SCHULTE