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Archiv-Artikel

WOCHENÜBERSICHT: KUNST Brigitte Werneburg schaut sich in den Galerien von Berlin um

Samuel Beckett/Marin Karmitz: „Comédie“, calier/gebauer, Holzmarktstraße 15–18, Di–Sa 11–18 UhrBis 26. Februar: Luc Tuymans: „Les Cinq Anneaux“

Vor fast vierzig Jahren, 1966, eröffnete der 19-minütige 35mm-Film, der nun bei carlier/gebauer – leider nur als Digitalvideo – läuft, die Filmfestspiele von Venedig. Und „Comédie“, der von Marin Karmitz und Samuel Beckett gedrehte Schwarzweißfilm nach dem gleichnamigen Theaterstück von Beckett, sorgte auch gleich für einen Skandal. Zu sehen waren drei talking heads, deren Körper in dickbäuchigen großen Vasen steckten. Absolut monoton, dafür aber in rasender Geschwindigkeit, schnurrten sie ihre weitgehend unverständlichen Texte ab. Frontal blickten die weiß geschminkten und mit einer Perücke gleichgemachten Gesichter dem Betrachter entgegen. Nur ein greller Scheinwerferspot, der von Gesicht zu Gesicht hastete und sich jeweils eines aus dem umgebenden Dunkel herausgriff, sowie ein schneller Schnitt von Nah auf Fern und in die Großaufnahme, brachte Bewegung in die Anordnung. Die Zuschauer in Venedig waren not amused. Und dabei ist der Film durchaus amüsant. Wie auch anders bei Beckett? Heute nun dürfen Gaby Hartel und Michael Glasmeier in ihrem Text zur Ausstellung vom „Rap“ sprechen, den der Film sprachlich wie bildlich vollführt. Und das ist nicht einmal weit hergeholt. So wenig wie die Beobachtung, dass „Comédie“ eine „Wer hat wann mit wem“-Soap sei. Denn das vermittelt der eindringliche Duktus des Geplappers schon, dass es hier zur Sache geht, Verführung, Verrat und Mord und Totschlag zur Debatte stehen. Und natürlich erkennt man heute die Folgen von „Comédie“, erkennt etwa, wie die projizierten talking heads von Tony Oursler in den angestrahlten Komödienköpfen wurzeln könnten. Oder erkennt in Becketts Experiment ein frühes Modell des heutigen, schnellen und rhythmischen Videoclip-Schnitts. Muss man gesehen haben. Und nebenan gibt’s dann noch Luc Tuymans.