„Das wäre nur weiße Salbe auf braune Flecken“

Der Rechtsextremismus-Experte David Begrich hält nichts von der Idee, wegen der NPD das Versammlungsrecht einzuschränken. Auch der geplante Neonazi-Aufmarsch am 8. Mai am Brandenburger Tor sollte zugelassen werden

taz: Herr Begrich, Sie beobachten regelmäßig das Treiben bei Neonazi-Aufmärschen. Sind Sie froh, dass Innenminister Otto Schily dem nun engere gesetzliche Grenzen setzen will?

David Begrich: Nein, im Gegenteil. Der Bundesregierung geht es bei dem Vorstoß doch vor allem darum, sagen zu können: Seht her, wir haben etwas gegen die Rechtsextremen getan – wir haben ein neues Gesetz erlassen. Aber so einfach funktioniert das nicht. Wenn wir das Versammlungsrecht einschränken, führt das weg von der Auseinandersetzung mit dem eigentlichen Problem. Man kann das nicht einfach auf die Sicherheitsbehörden und Gerichte abwälzen.

Aber muss der Staat nicht härter durchgreifen, wenn Neonazis das Versammlungsrecht missbrauchen, um den Nationalsozialismus PR-trächtig zu verharmlosen oder gar zu verherrlichen?

Man sollte da genau hinschauen und nicht leichtfertig ein Grundrecht beschneiden. Was die Regierung beabsichtigt, ist eine Art „Lex Neonazi“. Es geht darum, das Versammlungsrecht für Rechtsextreme an symbolischen Orten einzuschränken. Die Qualität einer Demokratie misst sich aber gerade daran, ob sie sich unangenehmen Auseinandersetzungen mit Neonazis stellt.

Heißt das: Am besten wir lassen Neonazis möglichst frei aufmarschieren, wie und wo sie wollen?

Nein, natürlich nicht. Man muss immer den Einzelfall prüfen. Das geltende Recht ist doch gar nicht schlecht. Man kann Auflagen erlassen, zum Beispiel Trommeln oder Uniformen verbieten. Und wenn Neonazis zum Beispiel gegen einen Synagogenneubau demonstrieren wollen, muss man ein Verbot prüfen. Denn das zielt eindeutig darauf, antisemitische Argumentationen zu verbreiten.

Wie sollten Politik und Gesellschaft Ihrer Meinung nach also beispielsweise mit dem geplanten NPD-Aufmarsch am 8. Mai am Brandenburger Tor umgehen?

Wenn man diesen Aufmarsch zulässt, ist das meiner Ansicht nach nur ehrlich. Wir räumen damit öffentlich ein: Diese Leute sind ein Problem in unserem Land. Es geht doch nicht nur um das Image der Bundesrepublik, sondern um die Qualität von Demokratie. Am Brandenburger Tor kommt symbolisch zum Ausdruck, was auch im politischen Alltag virulent ist – vor allem in den neuen Ländern. Wenn ich das Versammlungsrecht ändere, um das zu verhindern, dann trage ich nur weiße Salbe auf braune Flecken auf.

INTERVIEW: ASTRID GEISLER