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Archiv-Artikel

NEUES AUS NEUSEELAND: FUMIGATOR SCHICKT KROKODIL INS GAS

VON ANKE RICHTER

Manche Dinge verdrängt man, wenn man lange im Exil lebt. An den Container erinnere ich mich gar nicht gerne. Als unsere Seefracht im Hafen von Lyttelton ankam, musste ich MAF, der Landwirtschaftsbehörde, eine Liste mit jedem einzelnen Stück darin vorlegen. Jedes. Einzelne. Stück. Denn unser Hab und Gut aus Germany könnte eine Bedrohung für die Flora und Fauna von Aotearoa darstellen.

Nichts fürchtet der neuseeländische Staat so sehr wie eingeschmuggelte Insekten und fremde Bakterien, die das heimische Ökosystem unterwandern. Infiltration durch islamische Terrorgruppen? Pustekuchen. Radioaktives Material? Pah. Kiloweise Heroin? Schulterzucken. Maschinenpistole im Handgepäck? Abnicken, durchwinken. Aber wehe, wehe, beim Betreten des Flughafens von Auckland gammelt noch ein Apfel in der Tasche und unter den Fingernägeln steckt Dreck, dessen Herkunft nicht zuzuordnen ist: Schon drohen drakonische Strafen.

Vorsicht ist also angebracht. Zumal unser Hausrat einen ausgestopften Alligator beherbergte. Ich hatte mir noch kurz vor Abflug von einem Zoologen zertifizieren lassen, dass das Viech keiner bedrohten Gattung angehört, sondern ein harmloses Souvenir war, ca. 40er-Jahre. Es kam vom Flohmarkt.

„Diese Holzmaske hier“, der MAF-Beamte tippte auf meine Liste, „stammt die aus Afrika?“ Auweia! Ich hatte sie aus Burundi. „Aus Italien“, sagte ich. „Venedig.“ Karnevalistisch, kannibalistisch – egal. „Ist sie lackiert? „Ja. Zweifarbig.“ Sie war unbehandelt und wurmstichig. Garantiert beherbergte sie einen Wüstenfloh. Dieser Ethno-Schrott würde mich den Kopf kosten. Doch der freundliche Beamte setzte einen Haken hinter „Maske“. Misstrauen ist kein typisch neuseeländischer Charakterzug. „Das Krokodil“ – er studierte meine zoologischen Bescheinigungen – „das müssen wir uns angucken kommen, bevor der Container ausgeräumt wird. Wir schicken unseren Inspektor vorbei.“

Am nächsten Tag wartete ich vor dem verplombten Container auf den Fumigator. Der Fumigator ist für den Zoll, was der Terminator für Arnold Schwarzenegger ist: die beste Ausrede, sich ein Kampfkostüm überstreifen zu dürfen. Der Fumigator trug einen Schutzanzug aus Plastik, der aussah wie ein aufgeblasenes Ganzkörperkondom. Schließlich könnte ja irgendwo in den Untiefen unseres Hausrats eine Giftgasattacke drohen. Geradezu euphorisch arbeitete er sich emsig an Bücherkisten vorbei in Richtung Krokodil vor. Ein Blick in die trüben Augen aus Glasmurmeln, und sein Urteil stand fest: „Das hier nehme ich mit. Es wird fumigiert.“

Fumigieren bedeutet einnebeln. Mit tödlichen Pestiziden. In anderen Worten: Mein Tier kommt ins Gas. Das musste ich als Deutsche erst mal verdauen. „In drei Wochen können Sie das gute Stück bei uns abholen. Das kostet 30 Dollar. Sind Sie damit einverstanden?“

Das Krokodil schaut vom Regal herunter. Seine Augen sind trüber denn je. Es tut mir so leid. Was macht man alles durch, um in dieses Land zu kommen.