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Archiv-Artikel

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Warum die hannoversche Stadtreinigung künftig als alternative Abwehrreihe bei den 96ern engagiert werden sollte, zeigte sich beim 1:3 gegen Borussia Dortmund

aus Hannover Dietrich zur Nedden

Verführerisch ist es, aber oft genug falsch, das Kräfteverhältnis zwischen zwei Bundesligisten in einer Momentaufnahme einzuschätzen. Der Augenschein kann trügen, die Tabelle lügen. Zwar reiste Borussia Dortmund mit einem Sieg im letzten Auswärtsspiel beim VfL Wolfsburg nach Hannover an. Zugleich aber auch mit neun Punkten Rückstand auf den Tabellensechsten, der obendrein unter der Woche Veljko Paunovic von Atletico Madrid verpflichtet hatte, einen Stürmer, der Ewald Lienen aus seiner Zeit bei CD Teneriffa vertraut ist und gleich zur Anfangsformation zählte.

Aus hannoverscher Sicht war man möglicherweise sogar versucht, nicht nur wegen des Tabellenstandes Mitleid mit den Dortmunder Fans zu haben: „Not for Sale! Schluss mit Lügen und Intrigen“, taten sie flehentlich kund auf einem Transparent, das den Gästeblock verzierte. Wie tief der Schmerz angesichts der prekären Finanzakrobatik der Führungsetage sitzt, die das Markenzeichen des Klubs verpfändet hat, bezeugte ein weiterer Zweizeiler: „Unsere Identität verpfändet, Borussia Dortmund geschändet“. Tja, es gibt nur wenige Vereine, denen der DFB ein Geschäftsgebaren wie das des ersten deutschen Champions League-Siegers durchgehen lassen würde.

Sollten tatsächlich vereinsübergreifende Solidaritätsgefühle im Schwange gewesen sein, so waren sie garantiert in der 6. Minute verflogen. Stendel hatte nahe des Dortmunder Strafraums einen Tick zu elegant zu Stajner zurückspitzeln wollen, vielleicht im Andenken an seinen tänzerisch inszenierten Treffer in Bielefeld. Doch Kehl, in ganz jungen Jahren selbst ein Roter, bekam den Ball und passte zu Kringe, der auf der linken Seite zügig gen Grundlinie strebte. Der entscheidende Fehler, so legte es die nachträgliche Videoanalyse nahe, unterlief Nationalspieler Mertesacker. Statt Kringe zu attackieren, bezog er eine Position im Strafraum und überließ es Cherundolo, der den weiteren Weg hatte, die Flanke zu verhindern. Das missglückte gründlich und Koller köpfte lässig ein.

Es dauerte bis zur 25. Minute, bis Weidenfeller, Dortmunds Torhüter, einen Schuss parieren musste, den ein 96er abgegeben hatte. Bis dahin waren es Rückpässe der eigenen Kollegen gewesen, die ihn zum Eingreifen zwangen. Die Verbindungslinien im bewährten Netzwerk der 96er waren vielfach gestört, wenig griff ineinander. Exemplarisch zeigte sich die mangelhafte Präzision auch an Krupnikovics ungenügend adressierten Freistößen. Wie nahezu sämtliche Aktionen im ehemaligen Niedersachsenstadion werden auch sie „präsentiert“, gegenwärtig von der Städtereinigung Kampmann, deren Internetauftritt, wie den Großbildschirmen zu entnehmen ist, unter „DraußenAllesSauber.de“ firmiert. „Aber nicht drinnen!“, ließe sich ergänzen, im hannoverschen Strafraum nämlich, sofern man die Entstehung des zweiten Treffers der Dortmunder beobachtete. Wiederum über links nahte das Unglück, als Dede unbedrängt flanken konnte. Zuraw sprang nicht hoch genug und den hinter ihm postierten Ricken hatte er gleichfalls übersehen.

Danach wurde 96 sichtlich stärker, Neuzugang Paunovic, naturgemäß noch nicht umfassend integriert, dennoch klug und engagiert agierend, hatte selbst Chancen und gab laut Statistik die meisten Torschussvorlagen. Eine kurz vor der Pause auf de Guzman, dem nichts anderes übrig blieb als es mit der Hacke zu versuchen: knapp daneben.

Es bedurfte eines Elfmeters, damit Hannover 96 nicht abermals den Rasen des eigenen Stadions verlassen musste, ohne ein Tor erzielt zu haben. Seit dem 2:0 gegen Mainz Mitte November letzten Jahres haben die Roten daheim nicht mehr aus dem Spiel heraus getroffen. Ob es zumindest in der 1. Halbzeit ein Klassenunterschied gewesen sei, wurde Mertesacker in der „Mixed Zone“ gefragt: „Heute, denke ich, schon“, lautete seine geradlinige Antwort. Es war also nichts anderes als eine Momentaufnahme. Die nächste zu Hause wird gegen Werder Bremen belichtet.