: Landtag gedenkt lieber seinem Nachwuchs
Die Streichung der Zuschüsse für Gedenkstättenfahrten nach Auschwitz oder Birkenau hatte einen Gewinner: Die Jugendorganisationen der NRW-Parteien konnten ihr Landesgeld behalten. Die streiten jede Mitsprache ab
Düsseldorf taz ■ Das Jugendministerium kürzt lieber am Gedenken des Nationalsozialismus als bei seinem Nachwuchs: Die jetzt bekannt gewordene komplette Streichung der Förderung von Gedenkstättenfahrten zum Beispiel nach Auschwitz ging zugunsten des „Rings politischer Jugend“ (RPJ). In dem Ring sind die Jugendorganisationen der Landtagsparteien vertreten, also die JungsozialistInnen der SPD, die Jungliberalen der FDP, die Junge Union der CDU und die grüne Jugend der Grünen.
Im Doppelhaushalt 2004/2005 steht für die Gedenkstättenfahrten erstmals kein Euro zur Verfügung. Noch im vergangenen Mai hatte das verantwortliche Jugendministerium angekündigt, die Fahrten trotzdem unterstützen zu wollen, notfalls mit Mitteln aus anderen Töpfen. Diese Querfinanzierung ist gescheitert – Förderanträge von Organisationen wie dem Jugendclub Courage aus Oberhausen oder dem Dortmunder Bildungswerk scheiterten. Das Jugendministerium sagt jetzt, nur spezielle Einzelanträge könnten gefördert werden. Solche Fälle habe es aber bisher nicht gegeben. Der jüdische Bestsellerautor Ralph Giordano aus Köln kritisierte die Kürzung gestern in der taz als „unerträglich“. Es sei heute wichtiger denn je, Jugendlichen einen emotionalen Zugang zur NS-Geschichte zu ermöglichen.
Hintergrund der Kürzung sind die drastischen Einsparungen im Landesjugendplan. Innerhalb dieses Haushaltes existiert der RPJ für ausschließlich politische Jugendverbände. Obwohl bei allen anderen Posten, zum Beispiel bei der Mädchenarbeit, gespart wurde, blieb der Etat für den RPJ gleich hoch: 1,1 Millionen Euro erhalten die NachwuchspolitikerInnen jährlich, bei der Förderung der Gedenkstättenfahrten wurden hingegen insgesamt 500.000 Euro weggekürzt.
„Wir haben das immer scharf kritisiert“, sagt Sven Lohmann, Sprecher der grünen Jugend in NRW. Über die Herkunft der Mittel seien die Grünen unglücklich, aber erst zu spät informiert gewesen. Schon im letzten Mai hätten sie ans Ministerium apelliert, die Fahrten weiter zu finanzieren. „Das jetzt nichts geschieht, ist schlimm“, so Lehmann. Zwar würden auch die Jugendparteien Fahrten und Informationen zur NS-Zeit anbieten, aber den Ausfall könnten sie natürlich nicht kompensieren. „Gerade jetzt, wo die geschichtsvergessene NPD mehr und mehr Jugendliche zieht, müssen diese Fahrten stattfinden.“
Der jungliberale Chef Marcel Hafke ist ebenso empört. „Wir haben das nur am Rande mitbekommen“, sagt er, die FDP habe sich aber gegen jede Kürzung im Landesjugendplan ausgesprochen. Tatsächlich war die FDP die einzige Partei, die im Jugendausschuss gegen die radikale Streichung stimmte. Die jungen ChristdemokratInnen wollen vom Aus der Gedenkstättenfahrten nichts geahnt haben. „Wir wussten nur, dass unsere Förderung gleich bleibt“, sagt Landesgeschäftsführer Dirk Kappenhagen. Er wolle zwar nicht abstreiten, dass „da mal etwas auf dem Tisch lag“. Die komplette Aufstellung der Posten habe aber niemand sehen wollen.
ANNIKA JOERES