: Krankenkassen haben Bindungsangst
BILDUNG Sie sollen die medizinische Versorgung besser und billiger machen – Verträge zwischen Hausärzten und Krankenversicherungen. Doch die sperren sich gegen das Modell. Ende des Monats läuft ihre Frist ab
HAUSARZT-CHEF ULRICH WEIGELDT
VON KATJA SCHMIDT
Für Deutschlands knapp 200 Krankenkassen läuft eine Frist ab. Sie alle müssen bis zum 30. Juni besondere Hausarztverträge abschließen und dann ihren Versicherten anbieten. Der Termin steht seit Jahresbeginn im Gesetz. Doch viele Kassen werden sich nicht daran halten. Die Verträge sind ein Streitthema – mit dem Potenzial, nicht nur die Kassen, sondern auch die organisierte Ärzteschaft zu spalten.
Patienten kennen Hausarztmodelle bislang vor allem als Möglichkeit, die Praxisgebühr zu sparen. Wer teilnimmt, sagt für ein Jahr zu, bei Leiden stets zuerst den Hausarzt zu konsultieren und nur mit dessen Überweisung zum Facharzt zu gehen. Etliche Kassen haben dafür die 10-Euro-Zahlung pro Quartal erlassen. Viele der Verträge sind aber inzwischen ausgelaufen. Einige Ersatzkassen beklagten, die Hoffnungen an Qualität und Einsparungen hätten sich nicht erfüllt.
Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) aber hält große Stücke auf Hausarztmodelle. Sie erwartet davon eine gleichzeitig bessere und preiswertere medizinische Versorgung. In den neuen Verträgen werden von den Ärzten regelmäßige Schulungen, Behandeln nach wissenschaftlichen Standards und ein besonderes Praxismanagement verlangt.
Doch die Verhandlungen stocken. Schmidt hat den Kassen bereits vorgeworfen, sich über das Gesetz zu stellen, weil die neuen Modelle nicht in Gang kommen. Die Kassen wiederum rebellieren, weil sie sich ihre Partner für die Hausarztverträge nicht aussuchen dürfen.
Laut Gesetz müssen sie mit Gruppierungen ins Geschäft kommen, die mindestens 50 Prozent der Allgemeinmediziner einer Region vertreten. Vielerorts schafft diese Quote nur der Deutsche Hausärzteverband (HÄV). Die Kassen klagen, der Verband versuche, ihnen Konditionen zu diktieren und zu hohe Honorare herauszuschlagen. Auch die Kassenärztlichen Vereinigungen (KV), die bisher im staatlichen Auftrag die Versorgung mit Haus- und Fachärzten organisieren, wurmt die erstarkende Rolle der Hausärzteorganisation. Die Vereinigungen verlieren nämlich an Macht und die Kontrolle über Millionenbeträge, wenn sich viele Patienten für die Modelle der Konkurrenz entscheiden. Wenn die meisten Hausärzte den Kassenärztlichen Vereinigungen den Rücken zukehren, würde dies die Vereinigungen politisch stark schwächen – sie wären dann nur noch die Vertretungen der Fachärzte. Deshalb bekämpfen sie die Hausarztverträge seit Jahren.
Aus Sicht des Hausarztverbandes wird seine Klientel von den Kassenärztlichen Vereinigungen zu schlecht vertreten. Er will nun Honorare von durchschnittlich 85 Euro pro Quartal und Patient vereinbaren – bisher kämen die meisten Hausärzte auf 35 bis 50 Euro, sagt ein Sprecher.
Verbandschef Ulrich Weigeldt betont aber, es gehe auch darum, mit viel Unsinn im System aufzuräumen. „Wir wollen eine Struktur, die uns mehr Zeit für die Patienten gibt“, sagt er. Man könne unnötige Arztbesuche vermeiden und so Zeit für gründliche Beratung gewinnen. Wer sein Problem kurz am Telefon klären könne, müsse nicht in die Praxis bestellt werden.
Funktionieren soll das mit Honorarpauschalen: Eine davon erhält der Arzt für jeden bei ihm im Hausarztmodell eingeschriebenen Patienten – egal ob der ihn braucht oder nicht. Eine andere ist ein Zuschlag für die Behandlung chronisch Kranker. In Baden-Württemberg gibt es einen solchen Vertrag mit der AOK. Den Patienten wird dort besserer Service – zum Beispiel bei Sprechzeiten – versprochen. Nach Angaben der Kasse haben sich mittlerweile rund 3.000 Ärzte und 560.000 Versicherte angemeldet.