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Archiv-Artikel

Nur der Erfolg soll ansteckend sein

Ausgerechnet beim heutigen Beginn der Nordischen Ski-WM sind Claudia Künzel und Axel Teichmann erkältet

OBERSTDORF taz ■ In das Hotel „Waldesruh“ nahe Oberstdorf, wo sich das deutsche Team während der Nordischen Ski-WM einquartiert hat, dürfen Außenstehende nur selten. Schade eigentlich, denn man hätte schon gerne gewusst, ob die Langlauftruppe tatsächlich so isoliert vom Rest ist, wie es Kombinierer Björn Kircheisen angedeutet hat. Langläufern gehe man nämlich in diesen Tagen besser aus dem Weg, so die Einlassung Kircheisens – und das nicht etwa, weil sie keiner leiden mag, sondern weil mit Claudia Künzel und Axel Teichmann ausgerechnet ihre zwei Besten erkältet sind. Und da wäre es doch blöd, wenn sich ein Skispringer oder Kombinierer anstecken würde, wo gerade die Weltmeisterschaft beginnt.

„Wir sind nicht ansteckend“, verkündete Bundestrainer Jochen Behle deshalb, was einer prophylaktischen Entwarnung gleichkommen soll. Denn: „Es ist keine Gefahr gegeben, auch nicht für die anderen Sportler.“ Also gut, Kircheisen und Co. können wieder den Speisesaal betreten, wenn Behle mit seinen Schützlingen gerade frühstückt – und das ganz ohne Ansteckungsgefahr.

Die wahren Probleme aufgrund der Erkrankung Künzels und Teichmanns gibt es eher bei den Wettkämpfen. Heute stehen die ersten Langlaufrennen auf dem Programm. Künzel hat ihre Teilnahme am 10-km-Rennen im freien Stil schon vorgestern abgesagt. Und weil „die einzige Weltklasse-Läuferin, die wir zurzeit haben“ (Behle), nicht startet, sieht der Bundestrainer auch keine Möglichkeit für Edelmetall im ersten WM-Bewerb.

Künzel sagt: „Es ist mir nicht leicht gefallen, freiwillig abzusagen.“ Aber nach knapp einer Woche Erkältung inklusive Fieber an zwei Tagen sei es zu riskant, dem Körper diese Anstrengung zuzumuten, wenn gleichzeitig noch ein voller WM-Terminkalender wartet: Mit einer Staffel, wo es für Deutschland einen Titel zu verteidigen gibt, mit einem Teamsprint, bei dem Künzel schon öfter das Podest erklommen hat. Früher sei sie leichtfertiger mit solchen Erkrankungen umgegangen, aber: „Das hatte immer negative Folgen. Ich kenne meinen Körper, ich darf nicht zu viel riskieren.“ Unterstützung bekommt sie aus der DSV-Chefetage von Sportdirektor Thomas Pfüller, der sagt: „Wir haben gelernt, dass man die Leute nicht leichtfertig in die Wettkämpfe schicken darf, dann werden sie erst richtig krank.“

Deshalb wurde gestern sehr genau und lange überlegt, wie mit Axel Teichmann zu verfahren ist: Er führt im Gesamtweltcup, war lange in blendender Verfassung, ist beim heutigen Rennen über 15 km Titelverteidiger. Zuletzt allerdings war auch er krank. Halsschmerzen, aber kein Fieber, auch sein Start beim ersten WM-Rennen war lange Zeit fraglich, erst nach einem Belastungstest am gestrigen Nachmittag gab es grünes Licht für Teichmann und seinen Start. Jedoch stand für Behle schon zu diesem Zeitpunkt fest: Mit einer Medaille durch den Titelverteidiger ist eher nicht zu rechnen. „Er braucht erst mal einen harten Wettkampf, dann sehen wir weiter“, sagte der Bundestrainer.

Dennoch ist alles nur halb so schlimm, jedenfalls wenn man Jochen Behle glaubt. „Auch Tobias Angerer und René Sommerfeldt sind Medaillenkandidaten“, sagt der. Beide präsentierten sich erfrischend selbstbewusst beim WM-Vorgeplänkel, wo sie erklären sollten, wie sie sich auf die WM freuen und wie viele Medaillen sie gewinnen wollen. „Ich möchte schon ein Einzelmedaille mit nach Hause nehmen“, sagte Sommerfeldt, immerhin Gesamtsieger des Weltcups im vergangenen Winter. Beim Fußball hat er sich im Sommer das Knie verletzt, das Training war nur eingeschränkt möglich. „Dafür lief es bis jetzt erstaunlich gut“, findet er. Angerer wiederum hat schon nach dem letzten Rennen vor der WM am Wochenende in Reit im Winkl festgestellt: „Hinten raus geht noch was. Das hebe ich mir für Oberstdorf auf.“

Glücken die ersten Rennen der Langläufer, könnte das ja durchaus eine Erfolgs- statt einer Grippewelle im deutschen Team hervorrufen. Von Siegen lässt man sich dann wohl doch gerne anstecken. KATHRIN ZEILMANN