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Archiv-Artikel

Lehrerstellen gemopst

SPD-Anfrage bringt Abbau von 123 Lehrerstellen zutage. Experten kritisieren Schulbuch-Gebühr. Deputierte der Bildungsbehörde sehen ihre Rechte beschnitten

„Gute Lehrbücher und Standardwerke gehören in die Hand des Kindes“

Kein Tag ohne neue Aufreger aus dem Schulbereich. Nachdem die GAL am Montag in Erfahrung gebracht hatte, dass 442 Lehrerstellen nach den deftigen Einsparungen zu Schuljahrsbeginn übrig sind, fand die SPD-Politikerin Britta Ernst nun mittels einer kleinen Anfrage heraus, dass 123 dieser Stellen offenbar zum 1. Januar abgebaut wurden. „Für mich ist das eine ganz neue Information“, sagte Ernst. Laut Haushaltsplan müsste die Schulbehörde eigentlich 13.766 finanzierte Stellen haben. Gemäß der Senatsantwort auf ihre Anfrage waren es zum 1. Januar 2005 aber nur 13.643. „Das ist der Stand wie 1990“, empört sich Ernst. Bildungsbehördensprecher Thomas John hatte am Montag noch versichert, die 442 Stellen seien „an den Schulen“.

Doch nicht nur bei den Lehrern, auch bei den Büchern könnte es laut Ernst demnächst hapern. Sie befürchtet, das geplante Modell zur Schulbuchfinanzierung werde dazu führen, dass weniger Bücher angeschafft werden. Geplant ist, dass Eltern die Bücher wahlweise leihen oder kaufen, wobei es für die Leihgebühr in der Grundschule eine Obergrenze von 50 Euro, in der Mittelstufe von 80 Euro und in der Oberstufe von 100 Euro gibt. „Ich habe Bedenken, ob diese Höchstsätze ausreichen werden“, hatte der Landeselternrat Hans-Jürgen Vogel aus Niedersachsen am Donnerstag vor dem Schulausschuss der Bürgerschaft erklärt, weil der Verleih hohe Verwaltungskosten schaffe. In Niedersachsen, wo es das Model seit 2004 gibt, müssten Eltern deshalb allein an Leihgebühr 140 Prozent des Kaufpreises zahlen.

In Hamburg wird der Bürokratieaufwand sogar noch höher, weil bei jedem Buch einzeln entschieden wird, ob es geliehen oder gekauft wird. „Die Eltern bezahlen und haben nachher nicht viel in der Hand“, kritisierte auch Erziehungswissenschaftler Reiner Lehberger und schlug alternativ vor, dass alle Eltern die Bücher gleich kaufen und nur sozial Schwachen diese vom Staat bezahlt würden, was durchschnittlich 130 Euro pro Jahr und Kind kosten würde. „Gute Lehrbücher und Standardwerke gehören in die Hand des Kindes“, findet Lehberger.

Unterdessen haben gestern die beiden Deputierten der Bildungsbehörde, Edgar Mebus (GAL) und Dietrich Lemke (SPD) einen Appell an Bürgermeister Ole von Beust gerichtet, weil Bildungssenatorin Alexandra Dinges-Dierig ihre „gesetzlich verbrieften“ Entscheidungsrechte einschränke. Die Deputation sei das „oberste Entscheidungsgremium“ der Behörde und von allen Senatoren der Nachkriegszeit auch an der Verabschiedung von Verordnungen und Richtlinien beteiligt worden. Die parteilose Politikerin habe aber im Herbst angekündigt, dies künftig nicht mehr zu tun.

Anlass für den aktuellen Konflikt ist die deftige Erhöhung des bedarfsdeckenden Unterrichts für Referendare auf zwölf Stunden, mit der die Deputierten nicht befasst wurden. Da „intern“ keine Verständigung erreicht worden sei, soll nun Ole von Beust ein Machtwort sprechen. Kaija Kutter