: Fischer doch nicht unfehlbar
Kleiner Bußgang mit doppeltem Mea culpa: Bundesaußenminister gesteht in Visa-Affäre erstmals eigene Fehler ein. Kanzler begeistert von Fischer. Merkel fordert weiter Rücktritt. Grüne erleichtert
BERLIN/KÖLN dpa/taz ■ Mit einem Eingeständnis eigener Fehler hat Bundesaußenminister Joschka Fischer die rhetorische Lufthoheit in der Visa-Affäre wiederzugewinnen versucht. „Ich habe zwei Fehler gemacht“, gestand Fischer am Wochenende auf dem Landesparteitag der NRW-Grünen in Köln. Die schon von der Vorgängerregierung unter Helmut Kohl (CDU) eingeführte Reiseschutzversicherung sei in seiner Amtszeit durch zwei Erlasse noch missbrauchsanfälliger gemacht worden. Und vielleicht gewichtiger: In den Jahren zwischen 2000 und 2002 habe er „nicht schnell, nicht entschlossen und nicht umfassend genug als verantwortlicher Minister gehandelt“. Dafür stehe er ein. Nach seiner nur 25-minütigen kämpferischen Rede wurde Fischer von der NRW-Basis jubelnd gefeiert. Die Spitzen der Grünen äußerten sich ebenso wie zahlreiche Delegierte äußerst zufrieden mit Fischers Erläuterungen. „Ich bin erleichtert,“ sagte Grünen-Chefin Claudia Roth.
Rückendeckung bekam Fischer vom Kanzler. Gerhard Schröder (SPD) sagte in einem Zeitungsinterview. „Der Außenminister bleibt Außenminister!“ Die Rede Fischers sei überzeugend und offensiv gewesen. Schröder sei besonders davon angetan, „wie Fischer die durchsichtigen Versuche der Opposition zurückgewiesen hat, die Vorgänge parteipolitisch zu instrumentalisieren“, hieß es aus seinem Umfeld. Fischer hatte der Union vorgeworfen, sie verhalte sich unmoralisch und solle aufhören, das ukrainische Volk als „Kriminelle zu stigmatisieren, nur um innenpolitisch einen Vorteil zu haben“. Der SPD-Obmann im Visa-Untersuchungsausschuss, Olaf Scholz, lobte Fischers Rede mit den Worten: „Jetzt ist die Luft raus.“
Wenig Verständnis fand Fischers Rede bei der CDU-Vorsitzenden Angela Merkel: „Wenn er noch einen Funken Selbstachtung hätte, dann wüsste er, was zu tun ist. Es sind schon viele Minister wegen sehr viel geringerer Anlässe zurückgetreten“, sagte Merkel. Fischer habe über drei Jahre dem Visamissbrauch Vorschub geleistet und Menschenhandel und Zwangsprostitution begünstigt. Die FDP sprach von einer „unerträglichen Bagatellisierung“ der Affäre.
Die NRW-SPD drängt weiter auf eine rasche Einvernahme Fischers vor dem Ausschuss. Nur dann sei die rot-grüne Koalition nicht länger den unbegründeten Vorwürfen der CDU ausgesetzt, sagte der SPD-Fraktionschef im Düsseldorfer Landtag, Edgar Moron, gegenüber der taz. GB
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