: Kuchen ist noch nicht gewachsen
TOURISMUSFÖRDERUNG – Die Zahl der Bremerhaven-Gäste steigt. Doch nach Investitionen in Millionenhöhe machen sich die „Havenwelten“-Attraktionen gegenseitig Konkurrenz
VON CHRISTIAN JAKOB
Die Nachricht ist erfreulich: 1,2 Millionen BesucherInnen sind 2008 nach Bremerhaven gekommen. Das sind gut 100.000 mehr als im Jahr zuvor. Bremerhaven sei auf dem Weg, sich als Tourismusstandort zu etablieren, bilanzierte die Bremerhavener Investitionsgesellschaft (BIS) auf ihrer Pressekonferenz Ende letzter Woche. Sie wertete den Zuwachs als Erfolg für das „Havenwelten“-Konzept.
Doch viele Bremerhavener treibt die Sorge um, dass die gewaltigen Investitionen der öffentlichen Hand nur marginale Effekte bringen – und sich die „Havenwelten“-Einrichtungen womöglich gegenseitig Konkurrenz machen. Unter diesem Namen firmiert eine 320 Millionen Euro teure Stadtentwicklungs-Offensive an der Wesermündung, bestehend aus mehreren Museen, dem „Zoo am Meer“, dem Hotel, und dem Einkaufs- und Kongresszentrum. Sie soll der notleidenden Wirtschaft der Seestadt ein neues Standbein im Tagestourismus bescheren. Vor zwei Wochen wurde ihr letzter Baustein, das wohl rund 100 Millionen Euro teure Wissenschaftsmuseum „Klimahaus“ eröffnet.
Am Wochenende nun meldete das Deutsche Schifffahrtsmuseum (DSM), dass sein Verwaltungsrat einen Masterplan mit einem Investitionsvolumen von gut 100 Millionen Euro beschlossen hat – im wesentlichen Geld von Bund und Ländern. Die Investition kommt in einer Zeit, in der die Besucherzahlen des DSM auf einen historischen Tiefstand rutschen. Wollten Anfang der 1990er jedes Jahr über 320.000 Menschen ins DSM, waren es 2008 nur noch gut 120.000. Die Leiterin der Bremerhavener Tourismus-Studie sprach in einer Lokalzeitung von „Kannibalisierungseffekten“ durch die erfolgreichen, neuen „Havenwelten“-Nachbarn, allen voran dem „Deutschen Auswandererhaus“.
„Die nun beschlossenen Investitionen haben nichts damit zu tun, dass die Havenwelten-Einrichtungen uns Konkurrenz machen“, sagt DSM-Direktorin Ursula Warncke. Die Sanierung sei schon längst fällig gewesen und vorbereitet worden. Von seinen jungen Nachbarn unter Druck gesetzt sieht Warncke sich nicht: „Ich gehe davon aus, dass zusätzlich mehr Menschen nach Bremerhaven kommen und wir auch davon profitieren.“
Die Bremerhavener Stadtentwickler gehen davon aus, dass dies zumindest noch einige Anstrengungen erfordern wird. „Der Zuwachs ist im Moment nicht so groß, dass die Besucherzahlen in allen einzelnen Einrichtungen stabil oder steigend sind“, sagt Jochem Schoettler, bei der BIS für Touristik zuständig. „Dass neue Einrichtungen mit neuen Angeboten immer auch die alten kannibalisieren, ist unbestritten. Daher leidet ein Schifffahrtsmuseum auch an Besucherrückgang.“ Die Tagesgäste, so Schoettler, verweilen im Schnitt fünf Stunden in Bremerhaven. „Das führt natürlich teils dazu, dass ein Gast, der ins DAH geht, nicht mehr das Schifffahrtsmuseum besucht.“ Doch es gebe auch neue Gäste, die ohne die neuen Einrichtungen nicht gekommen wären.
In welchen Größenordnungen dies der Fall ist, ist offen. Als die Gewoba im Jahr 1990 die Besucherzahlen der damaligen Touristenattraktionen im heutigen „Havenwelten“-Gebiet zählte, kam sie auf gut 820.000 BesucherInnen. Addiert man nun die vom Statistischen Amt für 2008 erhobenen Zahlen, so ergibt sich für alle fünf Einrichtungen ein Publikum von rund 720.000 – trotz immenser Investitionen der öffentlichen Hand.
„Die neuen Gäste haben aber den Kuchen noch nicht nennenswert vergrößert“, sagt Schoettler. Für die BIS bedeute dies, „neue Zielgruppen und neue Quellgebiete erschließen“ zu müssen. „Das braucht Zeit. Der eingeschlagene Weg ist aber der richtige.“