: Baby, I drive on pure plant oil!
Nichts ist sexyer als ein Drei-Liter-Auto. Wenn es mit reinem Pflanzenöl fährt. Eigentlich braucht es nur eine emotionale Kampagne, damit es endlich alle fühlen können. Aber wer macht sie – und wo erscheint sie? In der „Zeit“ bestimmt nicht. Eine Polemik
VON MARTIN UNFRIED
Ich habe neulich eine kleine Champagnerorgie gefeiert, weil ich mich so toll freute über das Kiotoprotokoll. Einmal in rechter Stimmung schrieb ich ein Lied, das die Pkw-Flotte in Deutschland revolutionieren soll. Es heißt: „Baby, I ride on pure plant oil“.
Es soll die Hymne werden einer neuen Autokultur in Deutschland: locker, effizient, erneuerbar. Die Grünen wollen das übrigens auch. Eigentlich.
Doch ich finde, man kann das nicht so promoten, wie es ein Grüner Experte unlängst in dem Artikel „Biokraftstoff in der Ökofalle“ (taz vom 25. Februar) tat. Sinngemäß: „Biotreibstoffe, ähm, ja gut, aber problematisch!“ Da sind die also noch gar nicht recht im Tank – und schon problematisch?
Noch fahren, wie jeder weiß, die meisten Autos fossil mit acht Litern von Esso, Shell und BP. Und das nach 20 Jahren Klimaschutzpolitik. Daran ändert auch ein neulich erschienenes Strategiepapier der grünen Bundestagsfraktion (Fritz Kuhn und Co.) mit dem schönen Titel „greencar“ wenig.
Es geht darin um tolle Effizienz, Hybridautos, alternative Antriebe und was die Konzerne bitte schön sonst noch unbedingt machen sollten! Wieder mal ganz tolle Hoffnungen für den Parkplatz von morgen.
Was nicht vorkommt, ist der taz-Parkplatz von heute. Der aber ist das Problem. Es ist kein Geheimnis, dass ein Umweltredakteur dieser Zeitung einen Citroën Picasso fährt, der angeblich nur acht Liter fossilen Sprit auf 100 Kilometer braucht (taz vom 27. September 2004).
Da kommen einem die Tränen!
Diese lieben Menschen kennen doch die grausame Wahrheit des Klimawandels. Wie kann das sein? In langen, manchmal zermürbenden Einzelgesprächen und heftigen E-Mail-Wechseln habe ich zu ergründen versucht, warum es ein so weiter Weg ist von der Idee (Klimaschutz) zur Tat (Autokauf). Es sind die Autogefühle, die „Autoemociones“, die „Autosuggestionen“, die total falsch aufgeladen sind.
Kurz gesagt, es ist eine Frage der Herzensbildung. Kein Individuum meiner Kohorte begeistert sich für effiziente Autos. Kein Proband verzehrt sich nach Biotreibstoffen im eigenen Tank. Niemand verspürt das echte Verlangen nach so einem Auto.
Diese Gefühlskälte erlebe ich nicht nur bei taz-Redakteuren, sondern auch bei befreundeten Hobbyökos, ehemaligen Regierungsmitgliedern und speziell bei Autokritikern der Zeit.
Ein wesentlicher Grund dafür ist, dass praktisch niemand „erfahren“ hat, wie prickelnd sich so ein echter Greencar anfühlt. Das zeigen besonders die spontanen Reaktionen auf die Konfrontation mit meinem Drei-Liter-Auto. Das fährt, wie im oben zitierten Song bereits angedeutet, mit reinem Pflanzenöl aus regionalem Anbau (www.regiooel.de).
Übrigens behaupte ich, dass es im Moment „the most sexiest“ Auto überhaupt ist. Es verkörpert für mich alles: Faktor-4-Hightech, Ölboykott mit einem Schuss Amerikakritik, regionale Wirtschaftsträumerei und Autofabrikanten-Bashing.
Aber was sagen die ahnungslosen Acht-Liter-Super-Fahrer dazu? „Hat ja gar keinen Kofferraum!“ – „Kann man seine Oma gar nicht mitnehmen!“ – „Das amortisiert ja nie!“
Aber seien wir milde. Das können nur Menschen sagen, denen die sinnliche und intellektuelle Erfahrung fehlt. Die noch nie beim Bauern Wolpert 35 Liter Rapsöl direkt von der Presse abgezapft haben und damit tausend Kilometer weit gesegelt sind. Die nicht wissen, wie es sich anfühlt, wenn bergab der Motor automatisch auskuppelt und man emissionslos über die Piste schwebt. Wie das zischt, oh! Das ist leider auch noch nicht bei der politischen oder der Info-Elite dieses Landes angekommen.
Erschreckende Post aus Hamburg: Ein Drei-Liter-Auto sei wie der Verzicht auf eine Flasche Wein, schrieb mir das ehemalige Regierungsmitglied Michael Naumann. Er war ein bisschen beleidigt, weil ich Ihn darauf aufmerksam gemacht hatte, dass der von Ihm in der Zeit gelobte Mini Cooper eine Kiotoschande sei. Typisch! Immer wenn den Klimaschändern nichts mehr einfällt, dann sagen sie, es sei eben noch ein Stück gesunder Hedonismus. Das sei halt das Irrationale mit den Autos. Ich aber sei ein Miesepeter, schlimmer: ein Gutmensch, ein Verzichtsapostel.
Seien wir noch mal milde. Das Missverständnis begründet sich darauf, dass sie glauben, der Spaß am Auto sei brumm-brumm und auf den Tacho glotzen. Einfallslose Hedonisten!
Dabei ist da so viel mehr: Mein Herz macht jedes Mal Sprünge, wenn ich bei Shell vorbeifahre und dem Tankwart winke.
Leckt mich, ihr Multis, für mich gehen die Tanker nicht mehr unter.
Leck mich, VW, denn meine Freunde in den kleinen, aber feinen Edelökowerkstätten machen mich unabhängig von eurem Diktat. Sie haben den Diesel umgebaut, obwohl die Konzerne sagen, es geht nicht.
Doch, es geht. Hier und heute mit reinem Pflanzenöl im Tank. Sunfuel, Wasserstoff? Wie lange soll ich darauf warten? Zweitausendfünfzehn? Das Einzige, was meinen Greencar noch „greener“ machen kann (obwohl die Partikel weniger sind als bei Diesel), ist ein schnöder Partikelfilter. Den fordere ich seit zwei Jahren von VW ein.
Was bestätigt: Wer auf die Konzerne wartet, ist verloren. Der tönt strategisch wie der VCD: „Ganz toll, Toyota, toller Hybrid-Prius: fünf Liter fossiler Verbrauch!“ Mich turnt das rein anarchomäßig nicht besonders an. Meine Rapsschüssel hat heute schon alles, was mich jenseits von kleinlichen Fragen nach Kosten und Kofferräumen zum „Habenwollen“ drängt. Und darum geht es: Tief unten in den Rindenschichten der linken Hirnhälfte muss sich das im Unterbewusstsein einnisten. „Efficiency + pure plant oil = whow!“
Darum helfen grüne Strategiepapiere keinen Piep. Und Artikel à la „Biotreibstoffe sind auch problematisch“ erst recht nicht. Es braucht eine Kampagne namens: Baby, I drive on pure plant oil. Message: Nichts ist im Hier und Heute sexyer als ein Drei-Liter-Auto mit reinem Pflanzenöl – mit dem Partikelfilter als Bonustrack. Mein gleichnamiger Song ist schon fertig. Das wird so ’ne Country-Nummer. Ich schick ihn Stefan Raab, der wird das professionell produzieren, und dann singt ganz Deutschland: „Ich fahr mit Pflanzenöl, aber nur kaltgepresst“. Und schon bald werden die Edelumrüster, die Ökotuningkönige, tausende von Drei-Liter Autos auf Pflanzenöl umrüsten.
PS: Viele werden jetzt sagen: „Ah, das mit dem Biosprit ist doch auch keine Lösung. So viel Acker gibt es doch gar nicht.“ Das stand neulich auch in der taz: Flächenverbrauch, Pestizide, dann Hunger in der Dritten Welt, ungerechter Welthandel, Bodenproblematik usw. Ich antworte mit einem Zitat aus meinem kleinen Lied: „Halt den Rüssel in die Schüssel und atme tief und intensiv.“
MARTIN UNFRIED ist „Zeit“-Autokritik-Kritiker