: Klimaschutz aus patriotischen Gründen
Die Ölpreise steigen und machen die wirtschaftliche Abhängigkeit der USA von den Krisenregionen in Nahost immer deutlicher. Deshalb plädieren neuerdings auch konservative Gruppen fürs Energiesparen. Kleinwagen und Hybridautos sind im Kommen
AUS WASHINGTONMICHAEL STRECK
In den USA formiert sich eine ungewöhnliche Allianz für eine Energiewende. Neben Umweltorganisationen und den Demokraten fordern nunmehr auch Konservative immer lauter die Unabhängigkeit vom Rohstoff Öl. Selbst Vertreter der christlichen Rechten, die bislang vor allem durch ihren Eifer in Sachen Abtreibung, Schwulenehe und Sterbehilfe von sich reden machten, entdecken plötzlich den Klimaschutz als moralische Verantwortung eines Christenmenschen, um die Schöpfung zu bewahren.
Alle verbindet das gemeinsame Ziel, Alternativen zum Ölkonsum voranzutreiben. Ihre Motivationen sind jedoch unterschiedlich. Während Umweltgruppen und Kirchenvertreter vorrangig den Klimaschutz im Auge haben, geht es den Republikanern um nationale Sicherheitsinteressen.
Rechte Hardliner wie der ehemalige CIA-Direktor James Woolsey und Gary Bauer, langjähriger Chef des christlich-konservativen „Family Research Council“ kontaktierten die einflussreiche – und überraschte – Umweltorganisation „Natural Resources Defense Council“, um gemeinsam den Kongress zu einer Gesetzesinitiative zu bewegen. Diese sieht vor, den Ölverbrauch der USA mittels massiver Steueranreize für Firmen und Verbraucher und Forschungsförderung bis 2025 um 25 Prozent zu reduzieren.
In das gleiche Horn stießen vergangene Woche 31 hochrangige Sicherheitsexperten in einem Brief an Präsident Bush, in dem sie eine rasche Entwicklung und Markteinführung sparsamer Autos fordern.
Hintergrund für den Sinneswandel bilden die unsichere Lage im Irak und die anhaltende Terrorgefahr im Nahen Osten, vor allem jedoch die Einsicht, Amerika zahle einen zu hohen Preis für seine Abhängigkeit vom Importöl aus Krisenregionen. „Dies ist nicht länger tragbar und Rezept für ein Desaster“, sagt Frank Gaffney, Chef der konservativen Denkfabrik „Center for Security Policy“ und einst Advokat des Irakkrieges. Die meisten Länder, aus denen Amerika sein Öl importiere, seien entweder instabil oder feindselig gegenüber den USA.
Überdies klettert Benzin an den Zapfsäulen hierzulande auf immer neue Rekordstände. Einer lange Zeit verwöhnten Bevölkerung dämmert allmählich, dass billiger Sprit keine gottgegebene Sache ist. Zwei Drittel der Amerikaner finden es auf einmal „patriotisch“, wie das „Civil Society Institute“ in Boston herausfand, sparsame Autos zu kaufen.
Die Anzeichen, dass Verbraucher tatsächlich umdenken, mehren sich. Hybridautos gehören mittlerweile zum Straßenbild. Die Wartelisten für die Modelle von Toyota und Honda sind lang. Ebenso gefragt sind Kleinwagen, zumeist aus Europa und Japan. Gleichzeitig fragen sich jedoch Amerikaner besorgt, ob ihre eigenen Autohersteller den Anschluss an die internationale Entwicklung verpassen.
Diese Sorge hat endlich auch die Gewerkschaften zum Einlenken bewegt, die sich bisher als konsequente Gegner kleiner und effizienter Autos hervortaten. In ihnen sahen sie eine Bedrohung der letzten Bastion erfolgreicher US-Automobilindustrie: Geländewagen und Trucks. Doch eine jüngst veröffentlichte Studie prognostiziert den Verlust von 200.000 Jobs in den USA, sollten die Autogiganten in Detroit dem weltweiten Trend weiter hinterherhinken.
Der Richtungswechsel unter den Konservativen entbehrt nicht der Ironie: Sie schwenken damit auf die Position der Demokraten im Wahlkampf 2004 ein, Amerikas Abhängigkeit vom Öl drastisch zu reduzieren und dies nicht durch stärkere Ölförderung im eigenen Land, sondern vor allem durch effizientere Technologie zu erreichen.