ENTSCHÄDIGUNGEN FÜR EMISSIONSSCHLEUDERN BRINGEN NICHTS
: Heute sauber, morgen erfolgreich

Eine der obersten Regeln der Fußballphilosophie geht so: Die Wahrheit ist immer auf dem Platz. Würde man das ins Wirtschaftsleben übertragen, käme wohl heraus: Die Wahrheit ist immer auf dem Handelsparkett. Zum Beispiel beim Klimaschutz. Weil die Nachfrage nach den so genannten Kohlendioxid-Verschmutzungsrechten gegenüber dem Angebot seit Jahresbeginn deutlich gestiegen ist, hat sich auch der Preis verdoppelt. Allen Unkenrufen zum Trotz scheint das Klimaschutzinstrument Emissionshandel zu funktionieren.

Bei der Einführung des Emissionshandels hatten der Bundesverband der Deutschen Industrie genauso wie Wirtschaftsminister Wolfgang Clement aus allen Rohren der Propagandamaschine gefeuert: Die deutsche Exportwirtschaft sei in Gefahr, die Binnennachfrage sowieso, der Standort Deutschland insgesamt. Und tatsächlich führt die Verpflichtung, weniger Kohlendioxid in die Atmosphäre zu blasen, zu einer starken Belastung besonders traditioneller Branchen wie der Stahl- oder Zementwirtschaft. Allerdings haben diese Branchen hierzulande so oder so nur dann eine Zukunft, wenn sie innovativer sind als in jenen europäischen Ländern, die billige Löhne ihren Standortvorteil nennen. Absehbar wird sich der Preis für die Verschmutzungsrechte nämlich verdrei-, verfünf-, vervielfachen. Heute sauberere Technologien zu entwickeln sichert morgen den Export. Denn alle Experten sehen gerade in den Ländern Ost- und Mitteleuropas den Emissionsmarkt der Zukunft – dort, wo Personalkosten einen wesentlich geringeren Anteil der Kosten ausmachen.

Deshalb ist Wolfgang Clements Ankündigung nachlässig: Er will all jene deutschen Anlagenbetreiber, die nach EU-Vorgaben ihren Ausstoß von Kohlendioxid verringern müssen, in der zweiten Handelsperiode entschädigen – mit Zertifikaten über 30 Millionen Tonnen. Das nimmt natürlich viel von dem Innovationsdruck, den deutsche Ingenieure in der Vergangenheit oft mit großer Bravour bewältigten. Denn das ist auch so eine Weisheit auf dem Fußballplatz: Angriff ist die beste Verteidigung. NICK REIMER