: Kochs kommunale Katastrophen
Die „Hessenpartei CDU“ ist nicht in Sicht. Eine Serie von Direktwahlniederlagen verhagelt dem hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch die Stimmung. Am Sonntag fiel auch noch Heppenheim an die SPD. Die hofft, Koch 2008 aus dem Amt zu jagen
AUS WIESBADENKLAUS-PETER KLINGELSCHMITT
„Hessenpartei“ wollte die CDU werden und der SPD schon bald auch in Kommunen und Landkreisen den Rang ablaufen. Dieses Ziel visierte jedenfalls der Ministerpräsident und Landesvorsitzende der hessischen Union, Roland Koch, an, nachdem seine Partei bei den Kommunalwahlen 2001 stolze sechs Prozentpunkte zulegen konnte. Doch verfehlen die Christdemokraten dieses selbst gesteckte Ziel derzeit um Längen. Schon vier Jahre nach Kochs Ankündigung dürfen die hessischen Sozialdemokraten unwidersprochen konstatieren, dass die CDU „kommunalpolitisch grandios gescheitert“ sei.
Tatsächlich steht der bei den letzten beiden Landtagswahlen so erfolgsverwöhnte Koch vor einem Scherbenhaufen. Den jüngsten Verlust meldeten am Sonntag die Christdemokraten aus der Kreis- und Festspielstadt Heppenheim. Nach 40 Jahren christdemokratischer Oberbürgermeisterei gewann der Sozialdemokrat Gerhard Herbert mit stolzen 65,6 Prozent. Zuvor nahmen die Sozis bereits wichtige Städte wie Marburg, Kassel oder Darmstadt und siegten sogar in „ewigen“ schwarzen Landkreisen, etwa im Rheingau. Dabei sollten doch gerade die Direktwahlen für Koch das Instrumentarium zur Durchsetzung der „schwarzen Wende“ im einst roten Hessen werden.
Nach einer Erfolgsserie der Union bei den Direktwahlen von Oberbürgermeistern, Bürgermeistern und Landräten in diesem und im vergangenen Jahr wittert der Generalsekretär der hessischen SPD, Norbert Schmitt, nun wieder Morgenluft für seine Partei und blickt erhobenen Hauptes den Kommunalwahlen 2006 und sogar der Landtagswahl 2008 entgegen. „Aktuell kann die Union doch nur noch davon träumen, irgendwann auch einmal Hessenpartei zu werden“, verkündet Schmitt selbstbewusst. Die SPD wolle bei den Kommunalwahlen mit großem Vorsprung vor der CDU erneut stärkste Kraft in Hessen werden. Und das sei dann die richtige Basis, um Roland Koch, dessen Stern am verblassen sei, auch aus der Staatskanzlei zu vertreiben. Dazu allerdings fehlt den Genossen noch der oder die geeignete Gegenkandidat/in.
Für die CDU fing alles so vielversprechend an. Sie schickte ihre Frauenriege ins Rennen um die Rathäuser. Zuerst besiegte Ottilie Geschka bei den Oberbürgermeisterwahlen in Rüsselsheim ihren sozialdemokratischen Kontrahenten deutlich – eine Sensation. Denn seit Gründung der Bundesrepublik war die Opelstadt fest in der Hand der SPD gewesen. Dann wurde 2001 die noch vom Frankfurter Stadtparlament zur Oberbürgermeisterin gewählte Petra Roth in der Direktwahl von der Bevölkerung im Amt bestätigt. In Hanau setzte sich Margarete Härtel durch und in der Verbandsgemeinde Maintal im Speckgürtel um Frankfurt Dorothee Diehl. Die CDU eroberte dann auch noch den Oberbürgermeistersessel in der Landeshauptstadt Wiesbaden, und auch Kassel fiel an die Union.
Koch konnte sein Glück kaum fassen. Trotz Parteispendenaffäre war die CDU auf dem besten Wege, die SPD als „Hessenpartei“ abzulösen und sich auch in den Kommunen als führende politische Kraft zu etablieren. Damit konnte die Union ihre Position auch auf Landesebene festigen.
Geblieben ist davon fast nichts. In Rüsselsheim zerbrach die von Geschka gezimmerte ungewöhnliche Koalition aus CDU, FDP, Grünen und zwei linken Wählerlisten schnell. Und in Hanau und Maintal wurden die neuen Oberbürgermeisterinnen von der CDU nach Affären um privat genutzte Dienstwagen und fragwürdige Spesenabrechnungen aus den Ämtern gejagt. Da war es dann 2003 aus mit der Frauenriege der Union in Hessen. Kein Format nirgendwo.
Nur noch in Frankfurt hält Petra Roth das schwarze Fähnlein hoch, gestützt auf eine absurde Regierungskoalition aus CDU, SPD, FDP und Grünen. Die sorgt für permanente Lähmung in der einstigen Stadt des politischen Aufbruchs.
Bei der Union herrscht Ratlosigkeit; im wahrsten Wortsinn. Die Verlierer in den Kommunen, denen es oft am nötigen Format mangelte, lecken jetzt – ungetröstet von Koch – ihre Wunden. Das Desaster der Union in den Kommunen hat den Protagonisten der Partei in der Staatskanzlei die Stimmung verhagelt. Die Konzentration gilt jetzt offenbar ganz den Landtagswahlen. „Hessen halten!“, heißt die neue Parole. Seine bundespolitischen Ambitionen jedenfalls stellte Koch schon vor knapp einem Monat zurück. Da war gerade der Kandidat der SPD zum Oberbürgermeister von Darmstadt gewählt worden.
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