: UN-Kritik an Kolumbiens Präsident Uribe
Das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte stellt der kolumbianischen Regierung in einem neuen Bericht ein schlechtes Zeugnis aus. Die Anzeigen wegen extralegaler Hinrichtungen sind gegenüber dem Vorjahr angestiegen
BUENOS AIRES taz ■ Die Menschenrechtssituation in Kolumbien „bleibt weiterhin kritisch“. Zu diesem Ergebnis kommt das Büro des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte (UNHCHR) in Kolumbien in seinem Jahresbericht, der am Mittwoch in Genf vorgestellt wurde. Darin stellt der UNHCHR der Regierung von Präsident Álvaro Uribe ein schlechtes Zeugnis im Fach Menschenrechtsschutz aus. Im Jahr 2004 habe das UNHCHR-Büro mehr Anzeigen wegen extralegaler Hinrichtungen erhalten als im Vorjahr. Hoch blieben auch die Anzeigen wegen unrechtmäßiger Festnahmen, illegaler Hausdurchsuchungen, Folter, grausamer Behandlungen und Verschwindenlassen.
Die Regierung von Uribe wird in dem Bericht direkt angegangen. So heißt es: „Es gab wiederholt Äußerungen hoher Regierungsfunktionäre, in denen diese nicht von einem internen bewaffneten Konflikt sprechen wollten, sondern von der Existenz einer terroristischen Bedrohung.“ Und: „Hohe Regierungsfunktionäre äußerten sich einige Male öffentlich negativ über die Tätigkeit von Menschenrechtsorganisationen.“ Beides Mal war Uribe selbst gemeint.
Zahlreiche Hausdurchsuchungen und Festnahmen, klagt der Bericht weiter, hätten „ohne die nötige rechtliche Grundlage“ stattgefunden. Auch wurde mit der „Operation Drachen“ ein beispielloser Lausch- und Überwachungsangriff gegen Gewerkschafter, Menschenrechtsaktivisten und Parlamentsabgeordnete von einer privaten Sicherheitsfirma geführt, zu der hohe Militärs enge Kontakte pflegen.
Uribes Streitkräfte werden in dem Bericht mit einigen Massakern in Antioqioa, Arauca und Boyacá in Verbindung gebracht. Es wurde dabei auch die Komplizenschaft zwischen den rechten Paramilitärs (AUC) und der Armee angezeigt. „Die regelmäßigen Berichte an das Büro von Fällen koordinierter Operationen von Mitgliedern der Streitkräfte und paramilitärischen Gruppen sind auffallend.“
Den rechten Paramilitärs schreibt der UNHCHR zahlreiche Massaker in verschiedenen Landesteilen zu. Immer wieder machten sich die Freischärler des Mordes, der Entführung und der Folter schuldig, auch das Verschwindenlassen von Personen zählt zu ihren Kriegspraktiken. Besorgnis erregend seien die Verwicklung der AUC in den Drogenhandel und Waffenschmuggel und ihre engen Kontakte zu Politikern und dem Geheimdienst. Obwohl die Paramilitärs sich derzeit entmobilisieren und mit der Regierung verhandeln, haben ihre Aktionen zugenommen. 342 Mal hätten sie den vereinbarten Waffenstillstand gebrochen. Bislang, so kritisiert der UNHCHR, fehlt zudem für die Verhandlungen zwischen den Paramilitärs und der Regierung „die rechtliche Grundlage“. So sei bislang unklar, wie Mitglieder der Paramilitärs künftig behandelt werden, die ihre Waffen ablegen, aber an schweren Verbrechen beteiligt gewesen sind oder in den Drogenhandel verwickelt seien. Der UNHCHR fürchtet daher, dass diese Verbrechen ungesühnt bleiben könnten.
Aber nicht nur die Paramilitärs, auch die Guerillagruppen der Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (Farc) und des Nationalen Befreiungsheers (ELN) werden in dem Bericht erwähnt. Allen dreien bescheinigt der UNHCHR, die Menschenrechte „überhaupt nicht zu respektieren“. Der Guerilla wirft der UNHCHR vor, weiterhin Menschen zu entführen, sei es um sich zu finanzieren, sei es, um politischen Druck auszuüben. Der UNHCHR nahm Anzeigen gegen die Guerilla entgegen wegen Folter und Mord von Geiseln. Auch werden der Farc Angriffe auf die Zivilbevölkerung zugeschrieben.
Doch auch bei den sozialen Menschenrechten stellt der UNHCHR fest, habe die Regierung keine Politik, welche die Situation in dem Land verbessern würde. So leben in Kolumbien 64 Prozent der Bevölkerung in Armut, die Hälfte davon in extremer Armut. Die 20 Prozent Ärmsten des Landes verfügen über 2,7 Prozent des Einkommens, während die 20 Prozent Reichsten über 62 Prozent des Einkommens verfügen. Kolumbien ist auf dem amerikanischen Kontinent eines der am ungleichsten Länder hinsichtlich der Einkommensverteilung.
INGO MALCHER