: Keiner tanzt am Osterdeich
Während Werder Bremen bei der 0:1-Niederlage gegen Hertha bestenfalls UI-Cup-Ambitionen zeigt, setzt der verhinderte Berliner Disco-Pächter Marcelinho die spielerischen Akzente im Weserstadion
von Benno Schirrmeister
In Bremen denkt man schon wieder an Pasching. Zwar läuft vor jedem Heimspiel des SV Werder noch ein Video vom gloriosen Auswärtssieg in München, der im vergangenen Jahr die Meisterschaft sicherte.
Aber spätestens nach dem Gastspiel von Hertha BSC, das Marcelinho durch sein Tor in der 30. Minute für die Berliner entschied, kann dieser Clip die Jubelstimmung nicht mehr wecken. Das demütigende Bild Oliver Kahns, der über den Rasen krabbelt wie ein geblendeter Hund und vergeblich versucht, den Ball zu erhaschen, reicht gerade noch für ein nostalgisches Lächeln: ja damals! Viel näher als der Triumph von gestern scheint jetzt das Debakel von vorgestern: Der vermasselte Start in die Double-Saison, das Ausscheiden aus dem UEFA-Intertoto-Cup, gegen einen namenlosen österreichischen Retorten-Club: SV Pasching, vormals FC Superfund, 0:4, auswärts, 1:1 daheim, doppelt gruselig.
„Wenn man sieht wie die anderen gespielt haben“, resümierte jedenfalls Werder-Manager Klaus Allofs am späten Samstagnachmittag, „dann müssen wir feststellen, dass auch die UEFA-Cup-Plätze noch nicht ausgespielt sind.“
So weit, so sachlich. Alles andere als ein sachlicher Tonfall wäre der Partie aber auch nicht angemessen gewesen: Außerhalb des Stadions blieben die Fans trotz verstärkten Polizeiaufgebots friedlich, ein heißer Tanz auf dem Rasen fand ebenfalls nicht statt. So gab es zwar anfangs noch verbissene Zweikämpfe und auch Chancen für Werder. Spielerische Akzente aber setzte allein Herthas Regisseur Marcelinho, unter der Woche durch einen Disco-Mietvertrag ins Gerede gekommen: Er sei, so hieß es, im Zahlungsrückstand und hatte sich zudem die Nebentätigkeit als Hops-Schuppen-Betreiber nicht genehmigen lassen. Während die Anwesenheit von Werders Mittelfeld-Star Johan Micoud nur auffiel, wenn er wieder einen Eckball uninspiriert auf die Reise Richtung Strafraum schickte, trug der Brasilianer unbekümmert schnelle Konter vor. Der zweite bereits führte zum Tor: Ein langer Pass auf rechts wurde von den Nationalmannschafts-Aspiranten Christian Schulz und Frank Fahrenhorst mit Interesse wahrgenommen, aber nicht weiter verfolgt. Ohne Hast konnte sich Marcelinho den Ball auf links vorlegen, um ihn dann wuchtig am chancenlosen Andreas Reinke vorbeizutreiben.
Im Übrigen war Josip Simunic, eher Wadenbeißer als Tänzer, spielbestimmende Figur: Die frühjahrsmüde Bremer Offensive rieb der Australo-Kroat in Zweikämpfen auf, auch noch, als Thomas Schaaf gegen Ende der Partie die desolaten Verteidiger Schulz und Fahrenhorst durch die harmlosen Angreifer Aron Hunt und Mohamad Zidan ersetzte: Ein Sturmlauf, ja, aber ohne Spielwitz und Zug zum Tor.