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Archiv-Artikel

Die unbekannte Zweite

Frau zu zehnjähriger Haft verurteilt, die vor 16 Jahren Ehepaar ermordet haben soll. Überraschend präsentiert Gericht mutmaßliche Mittäterin

von Elke Spanner

Das Urteil: Zehn Jahre Haft für Brigitte F. Gelöst ist der Fall mit dieser Entscheidung des Hamburger Landgerichtes aber nicht. Mehr als zuvor ist ungewiss, was genau in jener Oktobernacht 1988 in der Altonaer Alten Königstraße geschah, in der das Rentnerehepaar Elisabetha und Paul Landbeck in seiner Wohnung ermordet wurde. Denn das Gericht hat gestern nicht nur die 41-jährige Angeklagte verurteilt, auf deren Spur die Polizei vorigen Sommer durch erneute DNA-Untersuchungen gekommen war, sondern plötzlich eine mutmaßliche Mittäterin ins Spiel gebracht, von der nie zuvor die Rede war.

„Mit hoher Wahrscheinlichkeit“, sagte der Vorsitzende Richter Claus Raabe, habe die Angeklagte den Doppelmord zusammen mit ihrer Nichte begangen, die entgegen ihrer eigenen Aussage in der Tatnacht bei der Angeklagten übernachtet habe. Für Polizei und Staatsanwaltschaft stellt diese Aussage eine Aufforderung zu neuen Ermittlungen dar. Der Staatsanwältin und den BeamtInnen der Mordkommission auf den Zuschauerbänken stand die Überraschung ins Gesicht geschrieben.

Bisher waren als mutmaßliche TäterInnen ausschließlich Brigitte F. und ihr Ex-Freund Stefan B. gehandelt worden. Sie hatte den Verdacht auf ihn gelenkt, er auf sie. Beide saßen in Untersuchungshaft. Er aber war nach zwei Monaten entlassen worden, weil nur von Brigitte F. DNA-Spuren in der Wohnung der Landbecks gefunden worden waren. Die damals Drogensüchtige hat nach Überzeugung des Gerichtes den Doppelmord begangen, weil sie Entzugserscheinungen hatte und dringend Geld für Heroin benötigte.

Brigitte F., die inzwischen Mutter von zwei Kindern ist und mit ihrem Mann ein bürgerliches Leben führt, hat stets bestritten, den Raubmord begangen zu haben. Sie sei in der Tatnacht in der Wohnung der Landbecks gewesen, weil ihr Freund sie dazu gezwungen habe, und erst, als das Paar schon tot war.

Mit dieser Aussage aber habe sie gelogen, hielt ihr das Gericht nun vor, um „ihre eigene Tatbeteiligung zu verschleiern und von ihrer Nichte abzulenken“. Die Tat sei eindeutig von zwei Menschen begangen worden, und ihr Ex-Freund scheide als Mittäter „mit Sicherheit aus“, konstatierte das Gericht. Da dieser nun aus dem Schneider sei, gäbe es für ihn auch keinen Grund mehr, die Wahrheit zu verheimlichen. „Weitere Gewissheit über die Tatnacht“, formulierte Richter Raabe mit Blick auf die Staatsanwaltschaft, „kann nur eine weitere Befragung von Stephan B. bringen.“

Rechtsanwältin Doris Dierbach kündigte nach dem Urteil an, Revision einzulegen. Die Schuld ihrer Mandantin sei durch die Verhandlung nicht erwiesen worden. Brigitte F. selbst sei sich „immer sicher gewesen, dass sie freigesprochen wird“.