piwik no script img

Archiv-Artikel

„Der Imam hat ganz cool reagiert“

MINARETTPROJEKT Der Hamburgische Künstler Boran Burchhardt bemalt die Türme der Centrum-Moschee mit grün-weißen Rechtecken. Ein Gespräch über Fußball, Islam und Humor

Boran Burchhardt, 35

geboren in Hamburg, studierte dort an der Hochschule für bildende Künste. Informationen zum Minarett-Projekt unter www.minare.de Foto: Mark Block-Wodaege

INTERVIEW: FRIEDERIKE GRÄFF

taz: Herr Burchhardt, Sie tragen einen der ganz alten Hamburger Familiennamen.

Boran Burchhardt: Dazu kann ich nicht viel sagen, weil ich niemanden mehr zum Fragen habe. Ich weiß, dass meine Familie zumindest über drei Generationen hier war und es einen relativ großen Besitz in Hamburg gab, wohl zum Teil auch Straßenzüge.

Müssen Sie deswegen kein Honorar für die Bemalung der Minarette der Hamburger Centrum-Moschee nehmen?

Nein, das hat damit nichts zu tun. Wir sind über den Krieg verarmt, es ist nicht so, dass ich für mein Geld nicht arbeiten müsste.

Ihr Vor- und Nachname hat eine Doppelbödigkeit, die auch das Minarett-Projekt mit seinem Fußball-Rautenmuster haben soll: orientalische Architektur trifft auf westlichen Sport.

Ich glaube, dass ich als Deutsch-Türke prädestiniert bin, diese Arbeit zu machen – wäre sie ausgeschrieben gewesen. Wobei ich mit der Türkei so gut wie nichts zu tun hatte. Ich habe einen türkischen Vater, den ich dreimal gesehen habe, und verbrachte mein erstes Lebensjahr in der Türkei. Aber ich bin seitdem nie wieder dort gewesen und die Sprache spreche ich auch nicht. Sozialisiert bin ich evangelisch.

Das heißt, Sie hatten gar keinen erleichterten Zugang zur Centrum-Moschee?

Man teilt einen Humor – aber es ist Spekulation, ob so etwas vererbbar ist. Was mir leicht gefallen ist, ist der Blick der Türken auf Behörden und bestimmte Situationen zu teilen und zu verstehen.

Hier bringt man Humor und den Islam in letzter Zeit ja weniger zusammen.

Die Centrum-Moschee hat alles getan, um hier anzukommen. Sie haben Tausenden von Leuten die Moschee gezeigt, aber das Gebäude bleibt ein Widerstand. Ich versuche, über Humor einen Bruch in die Architektur zu bringen – so dass nicht sofort in den Kopf kommt, dass dort ein aggressives Potential ist. Wobei ich sagen muss, dass ich den Vorschlag des Imams, der meine Arbeit mit dem Fussballmuster nehmen wollte, erst mal nicht ernst nahm.

Warum nicht?

Das war die Zeit, als um die Mohammed-Karikaturen gestritten wurde, da schien so etwas eher fern zu liegen.

Gab es in der Gemeinde Widerstand?

Der stellvertretende Vorsitzende meinte sofort: Das geht nicht, das ist ein Fussballmuster. Aber der Iman, der sich im Fußball auskennt, hat ganz cool reagiert und meinte: Nein, es ist doch ein Sechseckmuster. Und auf dieser Ebene spielt das Ganze auch, es ist eine falsche Assoziation – wie eben diejenige, die Moscheen automatisch mit Terror verbindet.

Mit Fußball haben Sie sich schon in einer früheren Arbeit, „gala – a green masterpiece“, auseinandergesetzt.

Mich hat gereizt, Fußbälle flach nähen zu lassen. Das geschah in Pakistan, das noch das Monopol auf handgenähte Fußbälle hat. Ich bekam meine Bilder zurück als „football carpets“. Das hat insofern noch einen biografischen Hintergrund, als dass meine Eltern einen Teppichhandel hatten. Ich bin nicht mit Bildern, sondern mit Teppichen aufgewachsen.

Wie sehen die traditionellen Minarette aus? Sind sie überhaupt farbig?

Extrem farbig zum Teil. Auch mit Spiralbemalung, die man hier als völlig absurd abtun würde. Auch die Moscheen, die anders als die christlichen Kirchen keine geweihten Orte sind, sehen extrem unterschiedlich aus: vom Bunker bis hin zu sehr nett. Und wenn es ein Minarettverbot gibt, ersetzen es eben zusammengeschweißte Ölfässer.

Hat das Sechseck, das Sie auf die Minarette setzen wollen, eine symbolische Bedeutung im Islam?

Es gibt eine ikonografische Bedeutung, die ich dem Bauamt vorlegen musste …

nachträglich vermutlich.

Nachträglich, ja, damit das Bauamt auch weiß, dass alles mit rechten Dingen zugeht. Zurück zum Sechseck: Eigentlich hat es eine negative Konnotation, es ist wie ein Käfig zu deuten, in dem die Welt gefangen gehalten wird.

Erstaunlich, dass der Imam dann das Muster durchbekommen hat in seiner Gemeinde.

Ich glaube, dass das im Alltag nicht die gängige Vorstellung ist, zumal wir von Deutsch-Türken reden, die in der dritten Generation hier leben.

Gemeinde und Bauamt mussten das Projekt durchwinken, das ist klar. Aber warum gab sogar die Hamburger Kunsthalle eine Stellungnahme ab?

Von der Stadt aus gesehen kam da ja ein relativ Unbekannter und schlägt vor, einen großen Eingriff in das Stadtbild zu machen. Für die Behörde war es wichtig, sich Rückversicherungen zu holen. Die Kunsthalle und die Uni haben bestätigt, dass in diesem ikonografischen Muster kein fundamentalistischer Hintergrund zu sehen ist.

Wie war Ihre Erwartungshaltung an die Centrum-Moschee, in der 2006 ein antisemitischer Kinderfilm verkauft wurde und die zu Milli Görüs gehört?

Ich habe festgestellt, dass es da mehr Unwissende als Wissende gibt, die einem etwas dazu sagen können. Ich habe bei dem Publizisten Wolfgang Schiffauer die Rückversicherung gefunden, dass ich da nicht in einen Blödsinn hineintappe.

Auch Schiffauer ist umstritten.

Aber da finden Sie nichts, was nicht umstritten ist. Und schließlich bleibt einem nichts anderes, als sich auf den eigenen Instinkt zu verlassen. Und die Offenheit, die mir da entgegengebracht wurde, habe ich bisher nirgendwo anders erlebt.