Präsident aus der Anstalt

Ein kluger und uneitler Kopf wie Schramm wäre durchaus mehrheitsfähig

Wenn ich draußen bin, kandidiere ich für das Amt des Bundespräsidenten“, hatte Georg Schramm eine Woche nach dem Rücktritt Horst Köhlers im Juni 2010 gesagt. Da war er noch drin, im ZDF-Kabarett „Neues aus der Anstalt“ mit Urban Priol, doch mittlerweile ist er dort ebenso raus wie der nächste Bundespräsident aus dem Schloss Bellevue – und mit der komischen Ansage aus dem vorletzten Sommer wird’s ernst. In der Piratenpartei wird seine Nominierung diskutiert, in der Linkspartei äußerte Oskar Lafontaine Sympathien für den Künstler – und Georg Schramm überlegt noch, ob er mit dem einst spaßig gemeinten Ansinnen wirklich Ernst machen soll.

Zu wünschen wäre das schon deshalb, weil dem Rostocker Ex-Pastor Gauck ein so Honecker-artiges Wahlergebnis blüht, dass einem angesichts dieses demokratischen Einheitsparteienrituals schon ein ziemliches Gruseln überfallen muss. Da wäre eine Kandidatenrede mit 10 Minuten Klartext von Georg Schramm das Mindeste, um dem von Machtkalkül und Parteitaktik geprägten Pseudowettbewerb zumindest den Anschein einer repräsentativen, demokratischen Veranstaltung zu geben.

Darüber hinaus freilich wäre der 1949 geborene Diplom-Psychologe und Offizier der Reserve ein absolut konkurrenzfähiger Gegenkandidat: ein Mann des Volkes, der sich als Einzelkämpfer bei der Bundeswehr ebenso bewährt hat wie als Repräsentant auf großer Bühne. Derzeit tourt er mit seinem Programm „Meister Yodas Ende“. Dass Meister Schramm gegen Auslandseinsätze der Bundeswehr ist, dass er vehement soziale Gerechtigkeit einklagt und der Sprechblasen-Kultur der Politik aufs Maul schaut wie kaum ein anderer, disqualifiziert ihn nur, weil die Wahl des Bundespräsidenten im Gestrüpp der Parteiapparate festgeklopft wird. In freier und direkter Wahl wäre ein kluger und uneitler Kopf wie Schramm durchaus mehrheitsfähig – und in der Lage, die fast vergessenen Traditionen der Aufklärung und Humanität, den guten deutschen Geist also, endlich wieder zu repräsentieren.

Nach einem leicht beleidigten Sparkassendirektor und einem Apparatschik vom Stamme Nimm kann die verlorene Würde des Amts vielleicht nur noch von einem psychotherapeutischen Kabarettisten zurückgewonnen werden. Endlich keine Witze mehr über den Bundespräsidenten. Wir lachen direkt über ihn.

MATHIAS BRÖCKERS