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Neuer Wien-„Tatort“Prittstift, Glückskeks oder Tipp-Ex – wer war der Mörder?

Im Wiener Tatort „Der Elektriker“ stirbt ein alter Grantler in der Badewanne eines Pflegeheims. Alle, die da durch die Gänge huschen, sind verdächtig.

(v. li.): Moritz Eisner (Harald Krassnitzer), Horst Windisch (Michael Edlinger) und Bibi Fellner (Adele Neuhauser) Foto: Dean Michael Buscher/ORF

Ein „Tatort“, in dem „BKS“ gesagt wird, kann nur aus Österreich kommen. Mit der Abkürzung wird das bezeichnet, was früher Serbokroatisch hieß, die Sprache, die in Bosnien, Kroatien und Serbien gesprochen wird. Im ganzen neuen Wien-„Tatort“ „Der Elektriker“ ist zwar nur ein einziges Mal BKS zu hören, das Opfer und der Hauptverdächtige haben aber Jugo-Hintergrund.

Im Vordergrund steht ein Pflegeheim mit relativ munteren Insassen. Da wäre der pensionierte Oberkellner Herr Fritz, immer noch ganz Gentleman und immer noch der stille Zuhörer, dem kein Klatsch und kein Tratsch, kein Abgrund und keine Zuneigung entgeht. Da ist die mysteriöse Sandra, die wegen ALS im Rollstuhl sitzt und den Ermittler Moritz Eisner aus besseren Tagen zu kennen scheint. Und da sind die wegen Unterbesetzung mit den betreuungsintensiven Pa­ti­en­t*in­nen völlig überforderten Heimangestellten Horst und Patricia.

So gut wie jeder, der hier durch die Gänge rennt, schleicht oder geschoben wird, kommt infrage, irgendwas mit dem Tod des schwierigen Patienten Daniel Filipović zu tun zu haben. Der wird in einer Schlinge hängend tot in der Badewanne gefunden, war einerseits sehr krank und andererseits auch ein unausstehlicher Typ, über den im Heim niemand ein gutes Wort verliert und dessen Tod selbst seine Tochter nicht sonderlich zu bedauern scheint.

Im Laufe des „Tatorts“ kommen Dinge ans Licht, die auf den Jugoslawienkrieg der 1990er Jahre hindeuten. Aber ist das die richtige Fährte, nur weil der Fußpfleger Ivica vorbestraft ist und eine große Wunde unter dem Auge hat? Es tauchen weitere verdächtige Dinge auf: ein Phasenprüfer, eine vegane Bäckerei, eine leere Schatulle.

Obwohl, so viel sei verraten, die Lösung des Falls durchaus interessant und nicht vorhersehbar ist, wird das eingespielte österreichische Ermittlerduo Moritz Eisner (gespielt von Harald Krassnitzer) und Bibi Fellner (gespielt von Adele Neuhauser) von Regie (Harald Sicheritz) und Drehbuch (Roland Halblesreiter, Petra Ladinigg) auf keine allzu überraschenden Wege geführt und erlebt dabei auch keine allzu überraschenden Wendungen: Natürlich setzen sie sich zum Kartenspielen ins Pflegeheim an einen Tisch mit Patienten, natürlich endet eine Verfolgungsjagd in einem Viertel mit Puffs und Autowerkstätten, natürlich ist der Fußpfleger auch Judoka.

Lustig ist, dass die Ermittler die möglichen Verbindungen und Tathergänge nicht rekonstruieren, wie es seit Jahren üblich ist: vor einer Wand mit Fotos, die mit zig Pfeilen verbunden sind. Nein, Eisner/Fellner machen es klassisch: ein Modell des Pflegeheims wird auf den Bürotisch gestellt, in dem das verdächtige Personal mit Prittstift, Tipp-Ex, Tesa, Tintenfass, Heftklammerentferner und Glückskeks dargestellt wird.

Die lustigste Szene dieses „Tatorts“ ist die, als im Pflegeheim der Feueralarm angeht, weil wieder einer auf seinem Zimmer geraucht hat. In einer beiläufigen Szene sieht man, wie die Alten ihre Hörgeräte aus dem Ohr nehmen, unachtsam weglegen und damit dem ohrenbetäubenden Lärm ein Schnippchen schlagen.

Im Wien-„Tatort“ geht es so zu, wie man als Nicht-Wiener Wien empfindet: Alles hat ein bisschen Patina, alles läuft etwas langsamer und bodenständiger, alles ist ein bisschen Klischee, aber es ist eh alles egal, weil wenn die Wiener Wienerisch sprechen, dann klingt noch die letzte Banalität, so wie beim Italienischen, immer umwerfend charmant.

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