: Landtagswahl noch immer mit hohen Barrieren
Nur jedes zweite Wahllokal in Nordrhein-Westfalen ist für Rollstuhlfahrer befahrbar. Bei den Wahlautomaten in Köln wurden ihre Belange gar nicht berücksichtigt. Insgesamt sind Landkreise weniger behindertenfreundlich als Städte
BOCHUM taz ■ Knapp drei Wochen vor der Landtagswahl am 22. Mai sind in Nordrhein-Westfalen nur etwa die Hälfte der Wahllokale für Rollstuhlfahrer zugänglich. Bei der Konzeption der Wahlautomaten, die seit der Europawahl in Städten wie Köln, Dortmund oder Recklinghausen den Wahlzettel ersetzen, sind die Belange von Behinderten schlicht vergessen worden. Dabei schreibt das 2004 in Kraft getretene Landesgleichstellungsgesetz eine zügige Beseitigung der „Wahlbarrieren“ vor.
„Probleme machen vor allem die zu Wahllokalen umfunktionierten Gaststätten“, sagt Martin Schulmann, Sprecher der Stadt Gelsenkirchen. Oft seien diese mit „repräsentativen Treppen“ ausgestattet, an die keine Rampe gebaut werden könne. Ein paar Barrieren konnte die Stadt im Ruhrgebiet dennoch einreißen: Waren bei der Kommunalwahl im September 2004 nur 35 Prozent der Wahllokale für Rollstuhlfahrer zugänglich, sind es heute immerhin schon 45 Prozent. Bis 2010 sollen laut Gleichstellungsgesetz alle Wahllokale in NRW barrierefrei sein. „Da müssen wir wohl Container aufstellen“, bemerkt Schulmann lakonisch.
Große Probleme bereiten indes auch die Wahlautomaten. „Bei dem Konzept wurden die Behinderten nicht berücksichtigt“, klagt Horst Ladenberger vom Kölner Zentrum für selbstbestimmtes Leben. Denn Menschen im Rollstuhl bereiteten die Automaten enorme Schwierigkeiten. „Nur wer extrem lange Arme hat, kann selbstständig die Bestätigungstaste drücken.“ Gänzlich ungeeignet seien die Maschinen zudem für Sehbehinderte. Für Blinde hingegen, die ihre Stimme auf dem klassischen Wahlzettel abgeben, hat sich die Lage seit der Kommunalwahl wesentlich verbessert: Der Westfälische Blindenverband hat im Auftrag der Landesregierung 5.000 Schablonen erstellt, mit deren Hilfe Sehbehinderte selbstständig wählen können.
Bisher wurden allerdings nur 1.800 der Hilfsmittel angefragt. „Viele scheinen nicht zu wissen, dass sie bei uns die Schablonen umsonst erhalten“, sagt Sprecherin Maja Dietrich-Kummetz. Dabei sei die Schablone ein echter Gewinn für Blinde, sagt sie. „Es ist eine tolle Sache, das Kreuz selbst machen zu können.“
Die Landesbehindertenbeauftragte Regina Schmidt-Zadel sieht Nordrhein-Westfalen trotz aller Hürden auf einem guten Weg. „Es hat sich sehr viel getan“, sagt sie. Sie habe im Februar alle Kommunen und Kreise im Land mit der Bitte angeschrieben, an der Umsetzung des Behindertengleichstellungsgesetzes mitzuwirken. „Aus den Großstädten habe ich viel Resonanz bekommen, die ländlichen Kreise haben mehrheitlich nicht reagiert“, muss sie einräumen.
„Die Landkreise haben bereits vor dem Inkrafttreten des Gesetzes Schwierigkeiten gemacht“, sagt Willibert Strunz, Geschäftsführer der Landesarbeitsgemeinschaft „Hilfe für Behinderte“. „Niemand erwartet, dass die gesetzlichen Regelungen von einem Tag auf den anderen umgesetzt werden“, sagt Strunz. „Doch statt sich ständig zu beschweren, könnten die Verantwortlichen einfach mal damit anfangen.“ NATALIE WIESMANN