Anschlagsankündigung gegen Schulen: Ungeprüfte Terrordrohung
Verantwortlich für die Verbreitung der Terrorankündigung gegen Schulen ist der dubiose Youtuber „Berlin Berlin TV“. Jetzt gibt er sich zerknirscht.
Für die am Sonntag ausgelöste Panik um eine Fake-Terrordrohung gegenüber 20 Berliner Schulen war ein Akteur entscheidend: Der Youtuber Lothar S., der auf seinem Kanal „Berlin Berlin TV“ die Anschlagsankündigung verbreitete. Er ist dem rechtsoffenen Milieu von Onlinestreamern zuzuordnen, die auf Youtube und anderen Streamingplattformen von Demonstrationen berichten.
Die Terrordrohung, die unter vielen Eltern große Sorge auslöste und trotz Entwarnung am Montag zum Fernbleiben etlicher Schüler*innen führte, wurde von der Polizei bald als Fake identifiziert: „Hinweise auf Gefährdungen oder konkrete Bedrohungen liegen uns nicht vor. Es handelt sich hierbei um Falschinformationen, die gezielt Ängste schüren sollen“, teilte die Polizei Berlin am Abend auf X mit. Auch die Polizei wurde zuerst durch den Youtuber S. auf die Drohung aufmerksam.
Sein Youtube-Kanal „Berlin Berlin TV“ mit etwa 17.000 Follower*innen existiert seit sechs Jahren. Dort sind Videoberichte über verschiedene politische Demonstrationen und Kundgebungen zu sehen, darunter Reden von AfD- und BSW- Politiker*innen, Bauernproteste sowie Demos zum Krieg in der Ukraine. Unter einem Video von vor neun Monaten bezeichnet er linke Demonstrierende als „Nazi-Antifa“, die frauenfeindlich und menschenverachtend seien. Seine gleichnamige Telegram-Gruppe mit rund 1.600 Abonent*innen nutzt S., um regelmäßig seine Berichterstattung zu den diversen Demos anzukündigen und anderweitige politische Inhalte zu teilen.
Auf seinem Telegram-Kanal soll ihn am Sonntagmorgen eine russische Frau S. darauf hingewiesen haben, dass es eine Anschlagsdrohung gegenüber Berliner Schulen gebe. „Ich habe den Kanal eines Terroristen gesehen, der plant, Kinder in Berlin zu töten“, schreibt die Frau im Kanal von S. in einem Screenshot, der der taz vorliegt. Darin bittet sie den Youtuber auch, die Warnung an Lehrer*innen weiterzuleiten.
Fotos von Waffen
Die Frau verlinkt in ihrer Nachricht einen weiteren Telegram-Kanal, auf dem die Anschlagsankündigung wohl ursprünglich veröffentlicht wurde: In einer Gruppe namens „Deutsches Khalifat“ mit zwei Abonnenten sollen Bilder von Maschinengewehren, Pistolen und einem Messer gepostet worden sein, samt der Drohung, man werde damit Kinder an 20 Berliner Schulen angreifen. Auch Bilder von den Waffen liegen der taz vor. Unklar ist bisher, ob es sich dabei um echte Schusswaffen oder um Imitate handelt.
S. entschied sich jedenfalls, die Terrorankündigung in einem Video als eine „akute Terrorwarnung für Berliner Schulen“ zu verbreiten, die er dann über seinen Telegram-Kanal teilte – um die Öffentlichkeit zu warnen, sagt S. in einem Statment gegenüber der taz. Davor habe er bereits versucht, die Polizei zu informieren.
„Man hat mich auf dem falschen Fuß erwischt“, schreibt S. auf taz-Nachfrage, ob er am Sonntagmorgen womöglich bereits selbst Zweifel an der Echtheit der Drohung gehabt habe. Er sei „eigentlich jemand, der alles gegencheckt“. Sein Fehler sei gewesen, dass er sich nur mit anderen Menschen ausgetauscht habe, „die es auch als echt ansahen“.
Von seinem Kanal geriet die Anschlagsdrohung dann in diverse Chats von Eltern und Schüler*innen, mindestens 900 Notrufe seien bei der Polizei daraufhin eingegangen, so ein Polizeisprecher. Am Montag seien trotz der Einschätzung als Fehlinformation an 34 Berliner Schulen Polizeibeamt*innen präsent gewesen. Die Polizei Berlin und der Landeselternausschuss bitten darum, keine ungeprüften Drohungen zu verbreiten.
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