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Fake-News um Brigitte Macrons IdentitätDas Geschäft mit hemmungsloser Verleumdung

Seit Jahren behaupten Rechte, Brigitte Macron sei gar keine Frau. Sie versucht, juristisch gegen die hetzerische Kampagne vorzugehen.

Frankreichs First Lady Brigitte Macron Foto: Aurelien Meunier/getty images
Rudolf Balmer

Von

Rudolf Balmer aus Paris

Ist Brigitte Macron keine Frau, sondern ein Mann, oder eine Transperson, oder womöglich dieselbe Person wie ihr älterer Bruder oder – warum nicht auch noch – der Vater des heutigen französischen Präsidenten? Solche Gerüchte werden nun bereits seit Jahren in Umlauf gebracht. Und sie sind dermaßen absurd wie die angeblichen „Beweise“ für diese Theorien.

Und je länger diese „Enthüllungen“ zirkulieren, desto drastischer werden sie mit vermeintlichen Details und geradezu haarsträubenden Vermutungen ausgeschmückt. So etwas kann nur glauben, wer solche sensationell daherkommenden Geschichten unbedingt glauben möchte und sich daran delektiert. Oder aber, wer diese Fake-News aus finanziellen oder politischen Interessen in den Netzwerken weiterverbreitet. Die Brigitte-Fake wird zum Schulbeispiel für rechtsextreme Hasskampagnen.

Begonnen hatte diese Affäre mit den Hirngespinsten eines Mediums in der französischen Provinz, Amandine Roy. Beim vergleichenden Betrachten von Fotos aus dem Kindesalter kam sie zum Schluss, Brigitte und ihr Bruder Jean-Michel müssten ein und dieselbe Person sein. Und damit meinte sie 2021, den definitiven „Beweis“ gefunden zu haben, dass Präsident Emmanuel Macron in „Wahrheit“ ein Schwuler sei, der im Elysée-Palast mit einem Mann lebe – und folglich damit die ganze Nation belüge. Diese „Trouvaille“ belustigte auf Youtube zunächst einen beschränkten Radius von Verschwörungskreisen.

Und dabei hätte es bleiben können. Dann wurde diese Spekulation des Mediums Roy von einem Autor der rechtsextremen und für antisemitische Publikationen berüchtigten Revue „Faits et documents“, Xavier Poussard, aufgegriffen und zum Buch „Devenir Brigitte“ ausgebaut. Der Titel suggeriert, dass die (um 24 Jahre ältere) Gattin des Präsidenten dank Umwandlung eine Frau „geworden“ sei. Jetzt begannen immer mehr Leute auf den Netzwerkplattformen darüber zu tratschen. Viele von ihnen amüsiert, andere echt schockiert, wieder andere offen hämisch.

Keine Grenzen für die Fake News

Erst wegen der US-Amerikanerin Candace Owens, einer Trump sehr nahestehenden Influencerin, bekam diese Hasskampagne, die gleichermaßen gegen Brigitte und Emmanuel Macron gerichtet ist, eine weltweite Dynamik,die alles übertraf, was bisher in diesem Bereich bekannt war. Mit ihrer 11-teiligen Serie „Becoming Brigitte“ soll Owens Millionen verdient haben.

In der amerikanischen Version waren dieser Fake-News erst recht keinerlei Grenzen mehr gesetzt. Alle möglichen sexuellen Fantastereien, inklusive Verdacht auf Inzest oder Pädophilie, erschienen wie logische Fortsetzungen in dieser Serie. Die französische extreme Rechte bedankte sich für diese Unterstützung ihrer Kampagne mit einer Einladung an Owens zu einem Meeting.

Die Macrons gehen rechtlich gegen Verleumdungen vor

Wird es Brigitte Macron gelingen, sich mit juristischen Prozessen gegen die sexistische Fake-News-Kampagne zu wehren? Im Juli wurden mehrere Personen, die ihre sexuellen Identität im Internet infrage gestellt hatten, im Namen der Meinungsfreiheit freigesprochen. Ende Oktober fand nun in Paris erneut eine Gerichtsverhandlung statt. Das Urteil gegen 10 Beschuldigte, für die die Staatsanwaltschaft Haftstrafen von 3 bis 12 Monaten auf Bewährung gefordert hat, soll Anfang Januar verkündet werden.

Auch mit ihrer Verleumdungsklage gegen Owens’ Firma im US-Staat Delaware können Brigitte und Emmanuel Macron die Geschichte nicht rückgängig machen. Schon die Tatsache, dass sie sich zur Wehr setzen, erscheint ihren Gegnern wie ein weiterer Wahrheitsbeweis.

Im Interesse anderer Opfer wäre es indes sinnvoll und notwendig, dass in diesem internationalen Paradebeispiel rechtsextremer sexistischer Hetze die Justiz mit einem Strafurteil in Frankreich, und wenn möglich auch in den USA, dem Geschäft mit hemmungslosen Verleumdungen eine Grenze setzt.

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