Jasmin Ramadan Einfach gesagt: Untote Politik und Wittwen-Vergebung
Es wird frostiger, man muss vorsorgen“, sagt die Freundin und beißt in ein Stück Süßholz aus der Apothekentüte.
„Meinst du das Wetter?“, fragt der Freund und zündet sich die Selbstgedrehte an.
„Ich glaub’, sie meint die politisch-gesellschaftliche Konsistenz“, sagt die andere Freundin und sticht mit der Gabel in ihr Sandwich.
„Alles, ich meinte alles.“
„Das Leben ist schön, doch die Welt ist herb.“
„Und dann sind da noch die Auferstehenden.“
„Die Bösen gehen nicht ins Licht, sie rumoren.“
„So wie bei dieser Serie mit Jennifer Love Hewitt damals.“
„Ghost Whisperer … Sie hat für die Toten Sachen geregelt, damit die ins Licht gehen konnten.“
„Weil die irgendwas verkackt zurückgelassen hatten.“
„Aber hier, Charlie Kirk glaubte sicher nicht, dass er irgendwas falsch gemacht hat, schätze, der steht da im Geistgewand voll ausgeleuchtet zombieselig hinter seinem Rassismus, Sexismus und der eklatanten LGBT-Verachtung.“
„Er glaubte, er sei Guter.“
„War er nicht.“
„Und das wird man doch wohl noch sagen dürfen.“
„Jedenfalls hat er prämortal seinen eigenen Tod gerechtfertigt.“
„In the Name of Waffenbesitz.“
„Hassen ist das neue Lieben.“
„Und die Witwe umarmte auf dem Gipfel des Trauerfeierpomps den Täter in Gedanken.“
„Ist Vergeben wie Umarmen?“
„Keine Ahnung, hab noch nie vergeben, nur gesagt: ‚Okay, ist gegessen‘, wenn jemand um Entschuldigung bat.“
„Was ist der Unterschied von Vergeben und Verzeihen?“
„Glaub’, Vergeben ist Verzeihen XXL.“
„Aber das ist ja kein Burger-Menü, so vom Ding her.“
„Viele ziehen sich Politik rein wie Fast Food … Ignorieren, was eigentlich drinsteckt und ob es etliche Leben killt.“
„Ich hatte als Kind Angst vor Ronald McDonald, jetzt habe ich Angst vor Donald Trump.“
„Als er die Kirk-Witwe an sich drückte, dachte er womöglich sein derb-kaputtes Pussy-Zeug.“
„Die wird jetzt Karriere machen.“
„Darf man das als Trad-Widow?“
„Erika Kirk hat subversiv getönt, in ihr sei die Hölle ausgebrochen oder so, sie sei jetzt unter Feuer und das erst der Anfang!“
„Klingt nach dem Lied von Alicia Keys!“
„Vielleicht wird das ihre Hymne.“
„Ich vermute, du kannst nicht mit ’nem Rassisten Babys machen und so, ohne selber einer zu sein.“
„Bei Wikipedia steht, sie sei zu einem Teil syrisch/libanesisch!“
„Genau, sie erinnert mich an Shakira, in so ’ner cleanen Horrorversion.“
„Ey, Leute, das geht nicht, dass wir jetzt nur über ihr Aussehen reden, ob die nun politisch daneben ist oder nicht.“
„Politisch daneben ist aber echt cute euphemistisch.“
„Man muss die nicht mit Samthandschuhen anfassen, weil die auf Engel aus Leidenschaft macht.“
„Und so aussieht.“
„Und ihn auch nicht, weil er tot ist.“
„Sein Game is’ja nun auch null over.“
„Was ist eigentlich mit dem Täter? Kaum jemand spricht über Tyler Robinson. Sonst wird immer beklagt, dass nur über den Täter geredet wird.“
„Er war kein Islamist.“
„Auch kein Links- oder Rechtsextremer.“
„Was war er dann?“
„Ein Mensch, der glaubte, das Richtige zu tun.“
„So wie Charlie Kirk.“
„Und was ist die Moral von der Geschicht’?“
„Der Gläubige lässt das Glauben nicht.“
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