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Schlafforscherin über Hitze„Eis essen und Aperol-Spritz trinken bringen leider nichts“

Ab 25 Grad Celsius leidet der Schlaf, sagt die Schlaftherapeutin Christine Blume von der Uni Basel. Da helfen nur Klimaschutz und lauwarme Fußbäder.

Hauptsache kalt: Eine Schwangere sucht Kühlung bei einem nassen Waschlappen Foto: invizbk
Interview von Charlotte Kranenberg

taz: Frau Blume, kann die Klimakrise unseren Schlaf beeinträchtigen?

Christine Blume: Je wärmer es im Schlafzimmer ist, desto schwieriger wird es mit dem Schlafen. Ganz besonders betrifft das Menschen im Globalen Süden, aber auch in unseren Breitengraden nimmt die Zahl der Hitzetage und der Tropennächte seit Jahren zu. In diesen sinkt die Außentemperatur nicht unter 20 Grad.

taz: Ab welchen Temperaturen kostet das Klima uns den Schlaf?

Blume: Aus Studien wissen wir, dass Temperaturen im Schlafzimmer von 25 bis 26 Grad einen Kipppunkt darzustellen scheinen. Spätestens wenn diese erreicht werden, schlafen wir schlechter. Aber wenn wir über eine Zunahme heißer Nächte sprechen, sollten wir nicht nur auf die Tropennächte schauen. In Städten entstehen Hitzeinseln, Gebäude heizen auf, sodass auch bei nächtlichen Außentemperaturen von 18 oder 19 Grad Innenräume deutlich wärmer bleiben. Und dann braucht es mehrere kühle Nächte in Folge, damit auch die Schlafzimmertemperatur wieder sinkt. Und da sind wir beim nächsten Problem, denn durch den Klimawandel steigen die nächtlichen Temperaturen sogar stärker als die am Tag.

Bild: privat
Im Interview: Christine Blume

Christine Blume ist Schlafforscherin an der Universität Basel. Bei Deutschlandfunk Nova moderiert sie seit 2023 den Podcast „Über Schlafen“.

taz: 25 Grad tagsüber empfinden die meisten noch als angenehm. Warum ist das beim Schlafen eine anstrengende Temperatur?

Blume: Die Körpertemperatur schwankt über den Tag hinweg wie auch die Umgebungstemperatur. Abends kühlt der Körper ab, vor allem, indem er Wärme an die Umgebung abgibt. Die Phase, in der die Körpertemperatur am schnellsten sinkt, ist meist auch die, in der wir einschlafen. In wärmeren Nächten wird die Wärmeabgabe allerdings erschwert. Das behindert auch den Einschlafprozess. Höhere Temperaturen führen außerdem dazu, dass man nachts öfter aufwacht und auch länger braucht, um wieder einzuschlafen. Ein möglicher Grund dafür ist, dass der Körper in heißen Nächten unter Stress steht, auch unser Herz schlägt beispielsweise schneller. Und Stress ist nie gut für den Schlaf.

taz: Können wir uns an wärmer werdende Nächte gewöhnen?

Blume: Wenn wir uns an hohe Temperaturen gewöhnen könnten, dann sollte überall auf der Welt eine Erhöhung von einem Grad genau den gleichen Effekt haben. Also eine Erhöhung in Island von 12 auf 13 Grad sollte den gleichen Effekt haben wie beispielsweise in Indien von 30 auf 31 Grad. Studien zeigen aber, dass ein Anstieg der Temperaturen sich bei den Menschen in wärmeren Regionen stärker auf den Schlaf auswirkt als bei Menschen, die in kühleren Regionen leben. Daraus haben die Forschenden einer Studie geschlussfolgert: Wenn überhaupt, gewöhnen wir uns nur in begrenztem Ausmaß an steigende nächtliche Temperaturen. Hinzu kommt, dass der Körper normalerweise recht gut darin ist, Nächte mit wenig Schlaf in der folgenden Nacht auszugleichen. Das tut unser Körper auch dadurch, dass er mehr Tiefschlaf produziert. Dieser Mechanismus funktioniert bei hohen nächtlichen Temperaturen aber nicht mehr. Auch das spricht gegen einen kurzfristigen Gewöhnungseffekt. Insgesamt können wir also von einer nicht unerheblichen Beeinträchtigung unseres Schlafs ausgehen.

taz: Welche Personen sind besonders stark betroffen?

Blume: Es gibt zwei Risikogruppen: Frauen und ältere Menschen. Sie sind öfter von Schlafstörungen betroffen. Frauen haben zudem mehr Unterhautfettgewebe, was die Wärmeabgabe erschwert. Die Hitze kommt da als erschwerender Faktor hinzu. Aus einer gesellschaftlichen Perspektive muss man eigentlich noch von einer dritten Risikogruppe sprechen, nämlich von Menschen mit einem niedrigeren sozioökonomischen Status. Diese leben häufiger in dicht besiedelten Gebieten mit mehr Hitzeinseln oder in denen zusätzlich Lärmbelastung eine Rolle spielt. Menschen, die beispielsweise an einer Hauptverkehrsstraße wohnen, haben so häufig nur die Wahl zwischen Lärm- oder

Hitzebelastung.

taz: Was sollten wir tun, um unseren Schlaf vor der Hitze zu schützen?

Blume: Wir könnten natürlich schlussfolgern: Wenn es vor allem um eine kühlere Umgebungstemperatur geht, installieren wir einfach alle Klimaanlagen. Das ist aber eine wenig nachhaltige Lösung, da diese am Ende auch wieder zur Erderwärmung beitragen und in Bezug auf den Schlaf darüber hinaus oft auch eine Lärmbelastung darstellen. Wir sollten gerade in Städten also eher den Blick auf Projekte richten, die versuchen, die Entstehung von Hitzeinseln zu verhindern, und dass sich Fassaden von Häusern überhaupt so stark aufheizen. Zum Beispiel durch Fassadenbegrünung oder Entsiegelung von Flächen.

taz: Was kann denn jeder und jede ganz persönlich im Alltag tun?

Blume: Wir können den Körper beim Abkühlen unterstützen. Eis essen und kühlen Aperol-Spritz trinken helfen dabei leider nicht, sondern belasten den Körper zusätzlich. Aber mit einer lauwarmen Dusche oder einem lauwarmen Fußbad können wir dem Körper die Wärmeabgabe erleichtern. Außerdem sollten wir viel trinken und darauf achten, dass wir zum Schlafen Bekleidungsstoffe wählen, die die Feuchtigkeit vom Körper ableiten und schnell trocknen. Tagsüber sollten wir uns nicht den ganzen Tag in Innenräumen aufhalten.taz: Warum?

Blume: Tageslicht ist für unseren Schlaf wichtig. Wenn wir uns diesem entziehen, weil wir uns den ganzen Tag in Innenräumen vor der Hitze schützen, dann kann auch das unseren Schlaf beeinträchtigen. Hitzeschutz ist natürlich wichtig, aber wenn wir in den kühlen Morgenstunden zu Fuß oder mit dem Fahrrad zur Arbeit kommen und die Mittagspause im Schatten im Park statt in der klimatisierten Cafeteria verbringen, dann kann das den Schlaf verbessern.

taz: Ist es denn überhaupt ein Problem, wenn viele Menschen insgesamt schlechter schlafen?

Blume: Ganz kurz gesagt: Der Schlaf ist ein wichtiger Gesundheitsfaktor. Vor allem ist er modulierbar. Wir können ihn also, anders als beispielsweise unsere Gene, beeinflussen. Schützen wir das Klima, schützen wir also auch unseren Schlaf und unsere Gesundheit.

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