Ukraine: Selenskyj lenkt im Streit um Behörden gegen Korruption ein
Für die geplante Abschaffung zweier unabhängiger Anti-Korruptionsbehörden erntete Ukraines Präsident massive Kritik. Jetzt nimmt er alles zurück.

Ein entsprechendes Gesetz mit der Nummer 12414 war am vergangenen Dienstag vom Parlament im Schnelldurchgang verabschiedet und noch in der Nacht von Selenskyj unterzeichnet worden. Zur Begründung hatte es unter anderem geheißen, damit solle die Infrastruktur zur Korruptionsbekämpfung von russischem Einfluss befreit werden.
Daraufhin war es in mehreren Städten der Ukraine, darunter Kyjiw, Lwiw und Odessa, zu Protesten gekommen – die größten seit dem Beginn von Russlands vollumfänglicher Invasion am 24. Februar 2022. Auch aus dem Ausland hatte es harsche Kritik gegeben. Marta Kos, EU-Kommissarin für Erweiterung, hatte von einem schweren Rückschritt gesprochen.
Auch Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte ihrer Besorgnis Ausdruck verliehen. Rechtsstaatlichkeit und Antikorruptionsbekämpfung seien Kernelemente der EU. Da könne es bei Beitrittskandidaten wie der Ukraine keine Kompromisse geben, hatte von der Leyen Kyjiw ausrichten lassen.
Ansagen mit Wirkung
Offensichtlich haben diese Unmutsbekundungen aus Brüssel im Verbund mit den Protesten in der Ukraine Wirkung gezeigt. Am Freitag räumte Selenskyj bei einem Treffen mit Journalist*innen Versäumnisse ein. „Wahrscheinlich war ein Dialog notwendig. Ich konzentriere mich auf das Thema Krieg, denn in der Ukraine ist Krieg derzeit das Hauptproblem“, zitiert das ukrainische Webportal Zerkalo Nedeli Selenskyj unter Verweis auf den ukrainischen Internet-Fernsehsender hromadske.
Es sei sehr wichtig, dass sich die Gesellschaft äußere. Jeder habe das Recht, seine Meinung zu sagen. „Mir war es sehr wichtig, dass wir angemessen zugehört und reagiert haben, so Selenskyj weiter. Auch seine europäischen Partner versuchte der Präsident zu beschwichtigen. „Wir befinden uns in derselben Infrastruktur wie Europa, wir wollen Teil Europas sein. Niemand will etwas riskieren. Was NABU und SAP angeht, habe ich ihnen gesagt, dass ich einen Ausweg finden werde“, sagte er am Donnerstag bei einer Pressekonferenz.
Mittlerweile liegt dem Parlament ein neuer Gesetzentwurf zur Abstimmung vor. Dieser sieht die Wiederherstellung der bei der Verabschiedung des Gesetzes Nr. 12414 aufgehobenen Bestimmungen vor. Dem Dokument zufolge wird die Unterordnung der SAP unter den Generalstaatsanwalt aufgehoben, die SAP soll einen eigenen Chef bekommen.
Zudem ist geplant, regelmäßige Tests mit einem Lügendetektor für Mitarbeiter von Behörden mit Zugang zu Staatsgeheimnissen einzuführen – insbesondere für die NABU, SAP, die Generalstaatsanwaltschaft und die Nationalpolizei. Solche Tests sollen mindestens alle zwei Jahre unter Beteiligung des Geheimdienstes SBU durchgeführt werden. Wann das Parlament über den Gesetzesentwurf abstimmt, ist noch unklar.
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