„The German“ mit Oliver Masucci: „Die Alten hier lachen nie“
In der preisgekrönten Serie „The German“ geht es um das Schweigen der Überlebenden der Shoa. Doch dann wird alles sehr offen, bedrohlich gegenwärtig.

Die Erinnerung der Überlebenden der Schoah spielt für die israelische Gesellschaft eine wichtige Rolle. Dieses Gedenken musste aber erst erkämpft werden. Davon erzählt die israelisch-amerikanische Serie „The German“, die beim Serienfestival „Series Mania“ in Lille den Preis für das beste Drehbuch gewann.
Der Achtteiler erzählt die Geschichte des Auschwitz-Überlebenden Uri (Oliver Masucci) und seiner Ehefrau Anna (Ania Bukstein), die sich nach dem Krieg kennenlernen und mit ihren beiden erwachsenen Kindern Tamar (Naya Bienstock) und Eitan (Ido Tako) in einem Kibbuz am See Genezareth leben.
Es ist das Jahr 1970. Uri muss auf Dienstreise nach München, um deutschen Investoren ein Wasserfiltersystem zu verkaufen, was dem Kibbuz Schuldenfreiheit und finanzielle Unabhängigkeit bringt. Aber in München angekommen, wird er plötzlich von seinem langjährigen Freund und Nachbarn Rafi (Rotem Keinan) für den Mossad rekrutiert. Er soll eine Zelle ehemaliger SS-Offiziere unterwandern und dabei helfen, Josef Mengele ausfindig zu machen. Nur widerwillig stimmt er zu, mimt im Auftrag des Mossad einen Nazi-Offizier und trifft sich mit konspirativ agierenden ehemaligen SS-Männern.
Die ältere Generation im Kibbuz, dessen Alltag detailliert und lebendig in Szene gesetzt wird, spricht nie über die Vergangenheit. Als der US-Wissenschaftler Steven (Dan Shaked) mit Schoah-Überlebenden über ihre traumatischen Erlebnisse sprechen will, öffnen sich einige, allerdings unter Vorbehalt. Ein Mann sagt zu ihm: „Die Alten hier lachen nie. Mit den Jüngeren ist es anders. Und warum? Weil wir ihnen nie etwas erzählt haben.“
ab 26. 7. auf Magenta TV
Spionage-Thriller wie Familiengeschichte
Ob es gilt, diese Mauer des Schweigens zu durchbrechen oder zu bewahren, darüber entstehen bald Auseinandersetzungen, die sogar handgreiflich werden. Denn Uri spricht nie über das, was ihm in Auschwitz passierte, während seine Frau Anna mit Steven, der außerdem noch eine Liaison mit Uri und Annas Tochter Tamar anfängt, ein Gespräch führt und überdies nach Jad Vaschem fährt und dort in den Akten nach den Spuren ihrer aus den Niederlanden stammenden Familie sucht. Dabei stößt sie auch auf die Geschichte ihres Mannes und macht eine Entdeckung, die bald zu einem schrecklichen Verdacht führt, während ihr Mann weiter seine Reisen nach München macht und sich mit Nazis trifft.
„The German“ ist ebenso Spionage-Thriller wie Familiengeschichte, Love-Story, historisch-politische Erzählung und Sozialdrama. Die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit wird schließlich zum Dreh- und Angelpunkt der Serie und ermöglicht nicht nur eine Aufarbeitung eigener Geschichte, sondern auch den Kampf gegen die Täter, die sich in der Bundesrepublik der 70er Jahre bequem einrichten.
Die Serienmacher Moshe Zonder und Ronit Weiss-Berkowitz betonten gegenüber der Zeitschrift Variety, wie sehr auch ihre Jugend vom Schweigen der Eltern geprägt war. Zonder sagte über seine Mutter: „Am Holocaust-Tag war sie in der Küche, die Türen geschlossen (…) Sie ist jetzt 93 Jahre alt. Als sie 80 wurde, fing sie an, darüber zu sprechen.“
Die Serie erzählt von der Widersprüchlichkeit dieser Strategie, aber auch warum sie nötig war. Mehr als zehn Jahre dauerten die Vorbereitungen für die dreisprachige Serie mit vielen israelischen Schauspielstars, die in Hebräisch, Englisch und Deutsch gedreht wurde. Oliver Masucci lebte während der Dreharbeiten ein halbes Jahr lang in Israel und lernte Hebräisch. Am Ende erlebt die Geschichte ein verblüffendes Finale inklusive Cliffhanger, eine zweite Staffel scheint fast schon zwingend.
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