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+++ Nachrichten im Nahostkrieg +++Bericht: Israel hat neuen Vorschlag für Waffenruhe in Gaza

Die Gespräche über eine Waffenruhe in Gaza stocken. Israel will sein Militär im Süden Gazas belassen – wohl wegen seines umstrittenen Lager-Plans.

Zerstörungen in Gaza: Die Verhandlungen über das Wohl der Zi­vi­lis­t*in­nen dauert an Foto: Mahmoud Issa/Reuters

Tel Aviv Gaza Doha Jerusalem dpa | afp | Israel ist bei den zähen Vermittlungsgesprächen über eine Waffenruhe im Gazastreifen laut einem Medienbericht zu einem umfangreicheren Truppenrückzug als bisher angeboten bereit. Israel habe einen entsprechenden neuen Vorschlag vorgelegt, berichtete die Times of Israel unter Berufung auf einen arabischen Diplomaten.

Es sei aber zu bezweifeln, dass dieses Zugeständnis einen Durchbruch bei den indirekten Verhandlungen in der katarischen Hauptstadt Doha bringen wird, hieß es. Israels Beharren auf dem Verbleib seiner Armee im Süden des Küstengebiets steht laut Berichten mit umstrittenen Plänen der Regierung im Zusammenhang, dort ein riesiges Lager für hunderttausende Palästinenser errichten zu wollen.

Kritiker sprechen von einem Internierungslager, das langfristig auf eine Zwangsdeportation hinauslaufen könnte. Israel spricht von einer „humanitären Stadt“ als Ausgangsbasis für eine „freiwillige Ausreise“ der Bewohner von Gaza.

Die New York Times zitierte Husam Badran, ein ranghohes Mitglied der islamistischen Hamas, der die Errichtung eines solchen Lagers als „absichtlich behindernde Forderung“ bezeichnete, die die ohnehin schon schwierigen Verhandlungen über eine Waffenruhe im Gaza-Krieg weiter erschweren würde.

Oppositionspolitiker zu Plan für Lager: „Verrückt“

Der israelische Oppositionsführer Jair Lapid bezeichnete den Plan der Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu laut der Times of Israel als „verrückt – selbst nach den Maßstäben dieser Regierung“. Der von Verteidigungsminister Israel Katz kürzlich vorgestellte Plan sieht vor, dass auf den Trümmern der Stadt Rafah eine Zone errichtet wird, in der zunächst 600.000 Menschen aufgenommen werden sollen.

Laut Times of Israel sollen später dann alle der mehr als 2 Millionen Bewohner Gazas dort hinein. Wer einmal eingelassen wird, darf die „humanitäre Stadt“ nicht mehr verlassen.

„Wird es einen Zaun geben? Einen normalen Zaun? Einen Elektrozaun? Wie viele Soldaten werden ihn bewachen?“, zitierte die Zeitung Lapid. „Was werden die Soldaten tun, wenn Kinder die Stadt verlassen wollen? Wer wird sie ernähren? Wer wird für Wasser und Strom verantwortlich sein? Was wird passieren, wenn es zu Epidemien und Krankheiten kommt? Wer wird sie behandeln?“

Laut israelischen Medienberichten gibt es auch aus der Armee deutliche Kritik an dem Plan. Demnach gibt es allerdings selbst unter den an der Planung beteiligten Personen Zweifel daran, ob das Lager je errichtet wird.

Alles nur Verhandlungstaktik?

In Israel wird spekuliert, dass es sich bei dem Plan vielmehr um eine Verhandlungstaktik handeln könnte, um die Hamas zu Zugeständnissen zu bewegen oder die rechtsextremen Koalitionspartner von Regierungschef Netanjahu dazu zu bringen, einer Waffenruhe zuzustimmen.

Letzteres sehe auch der rechtsextreme Polizeiminister Itamar Ben-Gvir so, berichtete die New York Times. Ben-Gvir lehnt einen dauerhaften Waffenstillstand in Gaza strikt ab. Netanjahu, gegen den ein Korruptionsprozess läuft, ist für sein politisches Überleben auf die Hardliner in seiner Koalition wie Ben-Gvir angewiesen.

Die indirekten Verhandlungen Israels mit der Hamas kamen in Doha zuletzt nicht von der Stelle. Ein Hauptgrund sind unterschiedliche Auffassungen über das Ausmaß des israelischen Truppenabzugs vor allem aus dem Süden des Gazastreifens. Israel hatte bislang darauf bestanden, dass seine Streitkräfte in einem relativ großen Gebiet verbleiben. Dieses würde eine drei Kilometer breite Pufferzone entlang der Grenze zu Ägypten bei Rafah sowie den sogenannten Morag-Korridor einschließen, der Rafah von der Stadt Chan Yunis trennt.

Die Hamas verlangt den Rückzug der israelischen Streitkräfte auf die Positionen, die es vor dem Zusammenbruch der vorherigen Waffenruhe im März eingenommen hatte. Der neue Vorschlag Israels, über den die „Times of Israel“ unter Berufung auf einen arabischen Diplomaten berichtete, sieht demnach vor, dass das israelische Militär nur mehr noch eine zwei Kilometer breite Pufferzone entlang der Südgrenze bei Rafah beanspruchen würde.

UN-Chef: Gewalt in Gaza untergräbt Menschenwürde

UN-Generalsekretär António Guterres bezeichnete die Zahl der getöteten Palästinenser als beispiellos in der jüngeren Geschichte. „Das untergräbt die grundlegendsten Voraussetzungen für die Menschenwürde der Bevölkerung Gazas, ungeachtet des enormen Leids, das sie erdulden“, sagte Guterres in New York. Er betonte, dass er auch die „fürchterlichen Angriffe“ der Hamas vom 7. Oktober immer wieder verurteilt habe.

Der UN-Chef hält derweil an einer Zweistaatenlösung fest. Mit Blick auf eine Ende des Monats geplante Konferenz bei den UN in New York sagte er: Eine Lösung könne es nur geben, wenn sowohl Palästinenser als auch Israelis einen Staat haben, in dem sie ihre Rechte ausüben können. Die Konferenz soll vom 28. bis 30. Juli auf Ministerebene stattfinden und wird von Frankreich und Saudi-Arabien organisiert. Mit einem Durchbruch wird jedoch nicht gerechnet.

Ultraorthodoxe Abgeordnete verlassen Netanjahus Regierung

In Israel hat die ultraorthodoxe Partei Degel HaTorah den Austritt ihrer Mitglieder aus der Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu erklärt. Dies teilte die Partei, die mit der Partei Vereintes Tora-Judentum (UTJ) verbündet ist, am späten Montagabend in einer Erklärung mit. Grund für den Austritt sei, dass ein Gesetzentwurf zur Befreiung von Tora-Studenten vom Militärdienst nicht angenommen wurde.

Die jahrzehntelange Ausnahme für ultraorthodoxe Seminaristen von der allgemeinen Wehrpflicht war im vergangenen Jahr vom Obersten Gerichtshof gekippt worden. Das Gericht hatte entschieden, dass das Verteidigungsministerium diesen Personen keine pauschale Befreiung aus religiösen Gründen mehr gewähren darf und der Staat mit der Einberufung ultraorthodoxer jüdischer Studenten beginnen muss. Das Militär kündigte daraufhin an, jährlich etwa 3.000 Ultraorthodoxe rekrutieren zu wollen.

Angesichts des Kriegs im Gazastreifen und weiterer Einsätze hatte das israelische Militär Anfang Juli dieses Jahres die politisch umstrittene Einberufung von 54.000 ultraorthodoxen jüdischen Seminarstudenten angekündigt. Es sollten zwar wegen religiöser Belange besonderen Vorkehrungen getroffen werden, aber die Einberufung sollte laut Militär noch im Juli beginnen.

Seit der Staatsgründung Israels 1948 waren auch ultraorthodoxe Juden zum Studium religiöser Schriften von der allgemeinen Wehrpflicht befreit. Allerdings lebten damals noch sehr wenige Ultraorthodoxe in Israel. Mittlerweile ist deren Bevölkerungsanteil auf 13 Prozent gestiegen.

Israel warnt syrische Übergangsregierung vor weiteren Schlägen gegen Drusen

Nach dem israelischen Eingreifen in die Kämpfe zwischen Drusen und Beduinen im Süden Syriens hat Israels Verteidigungsminister Israel Katz eine Warnung an die syrische Übergangsregierung ausgesprochen. Die israelischen Angriffe auf mehrere Panzer in Syrien seien „eine Botschaft und eine klare Warnung an das syrische Regime – wir werden nicht zulassen, dass den Drusen in Syrien Schaden zugefügt wird“, erklärte Katz am Montag im Onlinedienst X.

Zuvor hatte die israelische Armee erklärt, am Montag mehrere Panzer nahe dem Ort Sami in der Provinz Suweida angegriffen zu haben. Damit sollten die syrischen Streitkräfte daran gehindert werden, das benachbarte Dorf al-Masraa, das von der religiösen Minderheit der Drusen bewohnt wird, einzunehmen.

Laut einem Reporter der Nachrichtenagentur AFP hatten Streitkräfte des syrischen Verteidigungsministeriums am Montag das Dorf al-Masraa jedoch bereits unter ihre Kontrolle gebracht. Wie ein Kommandeur der syrischen Streitkräfte AFP mitteilte, rückten die Sicherheitskräfte derweil in Richtung der Stadt Suweida vor.

Durch schwere Kämpfe zwischen Beduinen und Drusen sind nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte seit Sonntag bereits mindestens 99 Menschen getötet worden. Die syrische Übergangsregierung setzte am Montag Sicherheitskräfte in dem Gebiet ein.

Entführung eines drusischen Gemüsehändlers

Die Auseinandersetzungen waren laut der Beobachtungsstelle am Sonntag ausgebrochen, nachdem bewaffnete Beduinen einen drusischen Gemüsehändler entführt und Blockaden auf der Hauptschnellstraße zwischen der mehrheitlich von Drusen bewohnten Stadt Suweida und Damaskus errichtet hatten.

Zwischen Beduinen und Drusen in Suweida gibt es schon seit langer Zeit Konflikte, die immer wieder in Gewalt münden. Im April und Mai waren bei Gefechten zwischen Anhängern der neuen islamistischen Regierung in Damaskus und der religiösen Minderheit der Drusen in Syrien dutzende Menschen getötet worden. Seit dem Sturz des langjährigen Herrschers Baschar al-Assad durch die Islamisten besteht Sorge um die Rechte und die Sicherheit von Minderheiten in dem Land.

Die Gewalt gegen die Drusen verschärfte zudem den Konflikt zwischen Syrien und Israel. Israel hatte damit gedroht, zum Schutz der Drusen erneut in Syrien einzugreifen.

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