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Archiv-Artikel

Ratingen sperrt Häftlinge aus

Es sollte der erste privatisierte Knast in NRW werden. Doch jetzt droht dem Ratinger Gefängnis-Neubau das Aus. Bürgermeister Birkenkamp will das Projekt kippen – und Industrie ansiedeln

VON BORIS R. ROSENKRANZ

Die Pläne für den Gefängnis-Neubau in Ratingen waren längst unter Dach und Fach. Am Rande des Erholungsparks Volkardey sollte bis zum Jahr 2007 ein Knast mit Zellen für rund 850 Häftlinge entstehen. Der Grund für den Neubau war ganz pragmatischer Natur: Der Großknast soll drei veraltete Gefängnisse entlasten – die Anstalten in Duisburg und Oberhausen und das marode Gefängnis „Ulmer Höh“ in Düsseldorf, das 2007 abgerissen werden soll. Ob die Häftlinge dann aber nach Ratingen umziehen können, ist jetzt wieder fraglich. Das Projekt droht plötzlich zu scheitern – mehr oder weniger an einem Mann.

Ratingens parteiloser Bürgermeister, Harald Birkenkamp, will den Knast verhindern – und stattdessen Fabriken neben den Erholungspark pflanzen. „Das ist eine sehr interessante Gewerbefläche“, sagt Klaus Pesch, der Birkenkamp während seines Urlaubs vertritt. Der Beigeordnete Pesch sieht in dem Knast-Projekt keine Alternative: „Gewerbe oder Gefängnis – das sind keine gleich guten Varianten“, sagt er. Und weil Bürgermeister Birkenkamp diese Meinung teilt, hat er seinen Ratskollegen empfohlen, bei der nächsten Sitzung gegen den Knast zu stimmen.

Sollte der Rat den Knast Ende Mai ablehnen, kommt wohl auch die Landeshauptstadt wieder für einen Neubau in Betracht – was Düsseldorfs Oberbürgermeister Joachim Erwin (CDU) allerdings gar nicht passt. Einer Zeitung sagte er, es sei „städtebaulich sinnvoll“, die Haftanstalt „Ulmer Höh“ aus der Stadt zu verlegen. Die saloppe Begründung: „Wir haben kein Gelände für sowas.“ Birkenkamp habe außerdem schon „viel Unsinn gefordert“. Auf dem Ratinger Gelände werde sich sowieso keine Industrie in „nennenswerter Größe“ ansiedeln, so Erwin weiter.

Klaus Pesch sieht das anders: Es sei bereits ein namhaftes Unternehmen am Platz, außerdem verfüge der Standort über eine ideale Verkehrsanbindung. Doch Gewerbegebiet hin, Knast her: Was die Ratinger offenbar ganz besonders stört, ist die Betriebsform des Gefängnisses. Zum ersten Mal in Nordrhein-Westfalen sollte im Ratinger Knast eine Teilprivatisierung ausprobiert werden, sprich: Teile der Verwaltung, des Gebäudemanagements, aber auch der Bewachung und der Gefangenentransporte würden im Modell des Public Private Partnership ausgegliedert und an private Dienstleister abgegeben. Und schon vorher, beim Bau des Gefängnisses, sollten Gelder privater Investoren einfließen. Mit diesem Novum für den NRW-Strafvollzug würde das größte Bundesland dem benachbarten Hessen nacheifern: In Hünfeld nimmt Ende des Jahres der erste teilprivatisierte Knast den Betrieb auf.

Die „Ratinger Linke“ springt derweil dem Bürgermeister zur Seite. Die Linkspartei ist generell gegen Privatisierung. Im Falle des Gefängnisses fürchten die Linken, private Wachleute könnten als „Fremdkörper“ abgelehnt werden – „sowohl von den ‚staatlich‘ Beschäftigten als auch von den Gefangenen“, wie es in einer Pressemitteilung der „Ratinger Linke“ heißt.

CDU und SPD sind indes noch unschlüssig, ob sie bei der nächsten Ratssitzung gegen den Knast votieren sollen. Eine Tendenz ist allerdings schon zu erkennen, insbesondere bei den Sozialdemokraten: „Das Land will das Ding da hin bauen, obwohl es andere Möglichkeiten gäbe“, weiß SPD-Fraktionsvorsitzender Joachim Galinke. Für Ratingen wäre der Bau ein Nachteil. Die Stadt würde dadurch einen „hervorragenden Gewerbe-Standort“ verlieren. Rolf Blumenkamp, Fraktionschef der CDU, hält sich dagegen noch bedeckt: Die CDU habe sich noch nicht festgelegt, da es noch keine „Entscheidungsgrundlage“ gebe, sagt er.

Im Justizministerium ist die Kunde vom Ratinger Widerstand zwar schon angekommen, trotzdem gibt sich Sprecher Ralph Neubauer entspannt: „Wir warten hier die Entscheidung des Rates erst einmal ab“, sagt er. Was passiert, wenn der Rat den Knast tatsächlich ablehnt, kann Neubauer nicht einordnen. „Aber es wird wahrschinlich auf die Suche eines neuen Grundstückes hinauslaufen“, spekuliert er.

Ein neues Gelände suchen? Aber wo? Etwa wieder in Ratingen? Fragt man Ratingens Beigeordneten Klaus Pesch, ob es nicht einen alternativen Standort in der Stadt gäbe, antwortet er nur: „Hoffentlich nicht.“