herr tietz macht einen weiten einwurf : Fayern wie Bayern
FRITZ TIETZ über die immer mehr um sich greifende Unart der Weißbierdusche, selbst im Falle der Nicht-Meisterschaft
Wenn die Bayern fayern – wie man sich mal langsam angewöhnen sollte, feiern zu buchstabieren, denn wer außer dem FC Bayern München hat noch echten Grund dazu? – also, wenn die Bayern mal wieder was zu fayern haben, sind neuerdings immer diese gasometergroßen Biergläser mit von der Partie. Randvoll mit Weizenbier wird damit jeder, der nicht bei drei in der Kabine ist, übergossen. So jedenfalls war es nach der vorzeitig gewonnenen deutschen Meisterschaft der Bayern in Kaiserslautern zu beobachten. So sah man es spieltags drauf nach ihrem Sieg gegen Mainz. Und genauso wird man es nach dem Finale im DFB-Pokal erleben, das ebenfalls die Bayern, wer sonst, gewinnen dürften.
Die noch ausstehenden Meister- und Pokalfeiern auf dem Marienplatz wird manch ein Beteiligter gleichfalls nur weißbiergeduscht überstehen wollen. Jede Wette, dass etwa der Münchner Oberbürgermeister fest damit rechnet und sich beizeiten eine Ersatzgarderobe hingehängt haben wird? Man sollte sogar davon ausgehen, dass der exakte Ablauf seiner Bierdusche zwischen Verein, Stadt, Fernsehrechteinhabern und Weizenbiersponsor abgesprochen ist. Zu viel hängt schließlich für alle Beteiligten von einer gelungenen medialen Aufbereitung dieses breitenwirksamen, weil gewiß auch „Tagesschau“-würdigen Ereignisses ab, als dass man hier irgendetwas dem Zufall überlassen wird.
Im Gegensatz zu den Jubelfeiern früherer deutscher Meisterschaften wirken die siegesrituellen Weißbierwaschungen dieser Tage jedenfalls alles andere als spontan. Das waren noch Zeiten, als sich altvordere Meister einfach so feiste Siegerzigarren ins Gesicht steckten oder sich aus einer unmittelbaren Gewinnerlaune heraus nackig und schampussaufend im Entmüdungsbecken räkelten. Die Fernsehleute, die das damals aufnahmen, waren eher zufällig zur Stelle.
Mittlerweile wird jeglicher Meisterschaftsjubel, so der leider immer laschere Eindruck, vorab en detail geplant. Selbst bei der Schampusorgie im Entmüdungsbecken, so denn überhaupt noch eine stattfindet, muss man wohl davon ausgehen, dass sie inszeniert ist und zuvor alles abgekaspert wurde. Ausgewählte Fernsehteams werden eigens dazu geladen, die Einstellungen vorher festgelegt. Wie sonst lässt sich sicherstellen, dass die Markenzeichen und Produktnamen der Vereinssponsoren vertragsgerecht ins Bild kommen?
Vermutlich würden sich auch die aktuellen deutschen Meister zigarrerauchend im Kabinentrakt ablichten lassen, falls ein Werbepartner das aus Reklamegründen wünschte. Da aber Werbung für Rauchware im sportlichen Zusammenhang verboten ist und überdies momentan ein Weizenbierbrauer als Jubel-Supporter der Bayern fungiert, muss man sich zurzeit nicht gegenseitig mit zeppelingroßen Zigarren berauchen, sondern bloß aus absurd überdimensionierten Glasbehältnissen hektoliterweise mit Bier übergießen. Inzwischen hat die von den Bayern kreierte Bierdusche erste Nachäffer gefunden. Auch bei der Aufstiegsfeier des MSV Duisburg wurde glaströgeweise Bier verschüttet. Und sollte Schalke wider Erwarten das Finale in Berlin gewinnen, wird auch deren Sponsor, ebenfalls ein Bierbrauer, nicht umhin können, solcherart PR für seine Plörre zu betreiben.
Ein Glück nur, dass es nicht die Hersteller von, sagen wir mal, Wurstsülze oder Sekundenkleber sind, die die potentiellen Feieraspiranten des Fußballs derzeit sponsern. Andernfalls müsste man wohl miterleben, wie sich Spieler, Trainer und Funktionäre untereinander mit aspikglibbriger Fleischware bombardierten oder mit schnell haftendem Klebstoff übergössen, den sie gleich nach Abpfiff in betonmischergroßen Tuben aufs Spielfeld gereicht bekämen. Auch gut übrigens, dass keine Asthmamittel oder Haarshampoos unter den Produkten sind, mit denen sich die Akteure begießen müssen. Die können nämlich, wie man weiß, unter Umständen verbotene Substanzen enthalten, und am Ende ist möglicherweise der Titel futsch, nur weil sich die halbe Mannschaft beim Jubeln ausversehen gedopt hat.