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„Foxtrot-Bande“ in SchwedenBerüchtigte „Erdbeere“ festgenommen

Ismail Abdo galt als Mitbegründer einer kriminellen Vereinigung, die in Schweden für eine Welle der Gewalt gesorgt hat. Nun wurde er in der Türkei im Zuge eines Großeinsatzes in Gewahrsam genommen.

Schon in der Vergangenheit, wie hier im Jahr 2024, standen Mitglieder der „Foxtrot-Bande“ vor Gericht Foto: imago

Härnösand taz | Zwei Freunde aus Uppsala, die von der Türkei aus ihre Drogenmafia steuern, zu Todfeinden werden und ganz Schweden zu ihrem Schlachtfeld machen: So fasst man dort die Geschichte von Rawa Majid und Ismail Abdo zusammen. Am Freitag wurde Abdo in der Türkei festgenommen – als einer von 19 Verdächtigen bei einer landesweiten Razzia gegen die internationale organisierte Kriminalität.

Abdo und Majid sind in Schweden längst weithin auch unter ihren Gangster-Namen ein Begriff: Die „Erdbeere“ – im Schwedischen wörtlich „Erdkerl“ – und der „Kurdische Fuchs“ stehen für Drogenschmuggel und -handel in ungeheurem Ausmaß, und vor allem für nie dagewesene Wellen der Gewalt.

Seit Jahren betreffen Morde, Sprengstoffattentate und Schüsse auf Wohnungen nicht mehr „nur“ Kriminelle selbst, sondern deren Angehörige sowie vollkommen Außenstehende. Als tödliche Handlanger werden immer jüngere Teenager rekrutiert, die Anstifter sitzen oft im Ausland – unter anderem in der Türkei.

Die schwedische Gesellschaft steht immer wieder fassungslos vor der Entwicklung, gegen die noch kein durchgreifendes Mittel gefunden wurde. Entsprechend groß war die Nachricht von der Verhaftung eines Mannes, der dafür mitverantwortlich gemacht wird.

Türkei wurde als „Gangsterparadies“ kritisiert

Der Journalist Diamant Salihu gilt als Schwedens Top-Experte für die Bandenkriminalität. Vor wenigen Wochen erst wurde seine neue Dokumentation im schwedischen Fernsehen SVT veröffentlicht, in der er die Geschichte der sogenannten Foxtrot-Bande nachzeichnet. Majid und Abdo waren deren Frontfiguren – bis Abdo sich 2023 mit seinem engsten Umfeld abspaltete.

Salihu bewertet die jetzige Festnahme in der Türkei als „wichtiges Signal“ an andere schwedische Kriminelle, dass sie als Nächste dran sein können, „wenn sie weiterhin aus der Ferne Verbrechen bestellen und sich außer Reichweite der schwedischen Behörden wähnen.“

Die Türkei war dafür kritisiert worden, als eine Art „Gangsterparadies“ zu fungieren. Über Investitionen etwa in Immobilien kämen Kriminelle aus Schweden dort problemlos an einen türkischen Pass, was Auslieferungsbegehren dann ins Leere laufen ließ.

Der jetzige Großeinsatz erfolgte laut den schwedischen Behörden nach einer engen Zusammenarbeit mit türkischen Ermittlern, auf der Grundlage von deren Ermittlungsergebnissen. Die Festnahmen geschahen demnach nicht wegen Straftaten in Schweden.

Laut Staatsanwalt Daniel wurden Abdo und die anderen nach türkischen Ermittlungen wegen des Verdachts auf internationalen Drogenschmuggel und Geldwäsche festgenommen. Das berichtete die Zeitung Dagens Nyheter am Samstag.Auch norwegische Ermittler waren offenbar in Kontakt mit der türkischen Polizei. Denn unter den Festgenommenen sei auch der Anführer der organisierten Kriminalität in Oslo, berichtete der norwegische Rundfunk NRK. Die Razzia in mehreren türkischen Städten habe drei verschiedenen internationalen kriminellen Netzwerken gegolten.

Der Berüchtigste unter den Gefassten, „Erdbeere“ Abdo, wurde 2024 schon einmal in der Türkei festgenommen, bei einer Verkehrskontrolle. Er wurde gegen Kaution freigelassen, obwohl er schon damals international zur Fahndung ausgeschrieben war.

Jetzt wartet man in Schweden darauf, was dieses Mal aus der Festnahme folgt. Schwedische Behörden sähen gerne, dass ihre Ermittlungsergebnisse vor einem türkischen Gericht angewendet werden können, falls es dabei bleibt, dass eine Auslieferung nicht infrage kommt.

Auch Foxtrot-Anführer Rawa Majid wurde in der Türkei schon einmal festgenommen und wieder freigelassen. Er lebt SVT zufolge im Iran – und soll vom dortigen Regime dazu gedrängt werden, sein kriminelles Netzwerk für Attentate gegen israelische Einrichtungen einzusetzen. Experte Salihu meinte am Samstag im SVT, es könne nach der Festnahme Ismail Abdos in dessen Verbrecherorganisation ein Machtvakuum entstehen. Er sieht darin das Risiko eines neuen Anstiegs der Gewalt in Schweden.

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