piwik no script img

Krise und Chaos in ThailandVerfassungsgericht enthebt Premierministerin des Amtes

Thailands Premierministerin Paetongtarn Shinawatra muss ihr Amt vorübergehend ruhen lassen. Auch ihr Vater, Ex-Premier Thaksin Shinawatra, steht vor Gericht.

Thailands jetzt suspendierte Ministerpräsidentin Paetongtarn Shinawatra Foto: Sakchai Lalit/AP/dpa

Chiang Mai taz | Das Verfassungsgericht in Bangkok hat Premierministerin Paetongtarn Shinawatra bis zum Ende eines Verfahrens über ihre Entlassung suspendiert. Damit gab das Gericht am Dienstag einer Petition von 36 Senatoren statt, die Paetongtarn nach einem Mitschnitt eines Telefonats mit Kambodschas einflussreichem Ex-Regierungsschef Hun Sen die Untergrabung der thailändischen Souveränität vorwerfen.

Zuvor hatte Paetongtarn noch schnell das Kulturministerium übernommen, um so auch nach einer Suspendierung noch in der Regierung bleiben zu können.

In dem wohl von Hun Sen selbst durchgestochenen Mitschnitt hatte Paetongtarn den Politiker familiär als „Onkel“ angesprochen und sich abschätzig über das thailändische Militär geäußert.

Hun Sen und der Shinawatra-Clan waren lange gute Freunde. Wegen des eskalierenden Grenzstreits sah es Hun Sen wohl jetzt als opportun an, die Shinawatras fallen zu lassen und Thailand zu de­stablisieren.

Justiz als Waffe gegen die Thaksins und ihre Parteien

Sich mit Thailands mächtigem Militär anzulegen, ist dort noch niemandem gut bekommen. Die Generäle putschten die Premiers Thaksin Shinawatra und Yingluck Shinawatra – Vater und Tante von Paetongtarn – aus dem Amt.

Zwei weitere Regierungschefs der seit zwei Jahrzehnten immer wieder verbotenen und unter neuem Namen auferstandenen Thaksin-Parteien wurden durch „lawfare“ aus dem Amt gemobbt. Mit „lawfare“ in Anlehnung an „warfare“ wird der „Krieg“ der royalistisch-nationalistisch-militärischen Elite gegen die demokratischen Kräfte mit der Justiz als Waffe bezeichnet.

Zwischen 2001 und 2019 haben die Thaksin-Parteien jede Wahl gewonnen. 2023 musste sich Thaksins Pheu Thai aber erstmals mit Platz zwei begnügen. Sieger war die für Thailands Verhältnisse schon als radikaldemokratisch zu sehende Partei Move Forward.

Deshalb wurde von der Elite mit Tricksereien die Regierungsübernahme von Move Forward verhindert und Pheu Thai zunächst unter Premierminister Srettha Thavisin an die Macht gebracht. Dafür durfte Thaksin aus dem Exil zurückkehren. Ein Jahr später wurde Srettha mittels „lawfare“ aus dem Amt gekegelt und durch Paetongtarn ersetzt.

Seit Dienstag steht auch Paetongtarns Vater Thaksin wegen angeblicher Majestätsbeleidigung wieder vor Gericht. Die Klage geht auf ein Interview zurück, das er 2015 einer südkoreanischen Zeitung gab. Im Falle eines Schuldspruchs drohen dem 75 Jahre alten Milliardär, der die Vorwürfe zurückweist, 15 Jahre Haft.

„Gelbhemden“: Erstmal Protest statt Putsch

Statt Gerichtsentschei­dungen abzuwarten, gehen die royalistisch-nationalistischen „Gelbhemden“ gegen die Regierung – also gegen den populistischen Thaksin-Clan und gegen sonstige reformorientierte Kräfte – auf die Straße. Bei einer ersten Großkund­gebung am letzten Wochenende in Bangkok lehnten die Protestführer einen Putsch ab. Man habe ja erlebt, wie die Militärregierungen (wirtschafts)politisch versagt hätten.

Sondhi Limthongkul, einer der Protestführer, sagte aber auch, er werde „keine Einwände“ erheben, „wenn das Militär etwas unternimmt“. Der Medienmogul trug im November 2008 als Führer der „Gelbhemden“ mit der tagelangen Besetzung von Bangkoks Flughäfen entscheidend zum erfolgreichen „lawfare“ gegen Premierminister und Thaksin-Schwager Somchai Wongsawat bei.

Wie es nun weitergeht, ist Gegenstand von Spekulationen, die von Putsch über die Bildung einer neuen Koalition bis zu Neuwahlen reichen. Als Nächstes steht ein Misstrauensvotum der Partei Bhumjaithai gegen die Regierung an. Bhumjaithai hatte aus Protest gegen Paetongtarns Hun-Sen-Gate die Koalition verlassen.

Neuwahlen dürften der Elite ein Gräuel sein. Umfragen zufolge ist der 38 Jahre alte Vorsitzende der Volkspartei – Nachfolgerin der mittels Lawfare aufgelösten Move Forward – Natthaphong Rueng­panyawut der bevorzugte Kandidat für das Amt des Premier. Thailand gerät politisch wieder in schweres Fahrwasser.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!