Therapeutin über psychische Gesundheit: „Verbindung findet im Alltag so wenig statt“
Brynja, das „Fitnessstudio für die Psyche“ in Bremen lädt zum zweiten Mal zur Reihe „Mental Tracks“, ein Festival der psychischen Gesundheit.
taz: Frau Rohloff, was unterscheidet die Mental Tracks von einer normalen Party?
Janna Rohloff: Ich würde das Format nicht mit einer Party, sondern mit einem Festival vergleichen, weil es einen inhaltlichen Teil hat in Verbindung mit einem Konzert. Nur findet das bei den Mental Tracks nicht über einen oder mehrere Tage verteilt statt, sondern an einem Abend.
taz: Und was sind die Unterschiede zum Festival?
Rohloff: Es geht den ganzen Abend um psychische Gesundheit. Auch die eingeladenen Musiker:innen haben diese im Fokus und sprechen offen über eigene Erfahrungen. Und man kann gegen Spende Tools zur Beruhigung bekommen, zum Beispiel Akupressurringe, Igelbälle und Center Shocks, diese supersauren Kaugummis. Wir haben außerdem einen Treffpunkt, von dem man abgeholt werden kann, um nicht alleine hinein gehen zu müssen.
taz: Und der Abend ist konsumfrei, richtig?
Rohloff: Es gibt weder Alkohol noch andere Drogen. Das ist uns wichtig, damit auch Menschen mit Suchterkrankungen teilnehmen können. Es ist aber gar nicht so leicht, einen Raum dafür zu finden, weil die Veranstalter mit dem Verkauf von Alkohol ihr Geld verdienen.
38, ist Ergotherapeutin, Gründerin und Geschäftsführerin des Brynja Raums in Bremen.
taz: Und trotzdem haben Sie mehrere Veranstalter gefunden.
Rohloff: Ja, weil die uns, also den Brynja Raum, gut finden.
taz: Alle lieben Brynja?
Rohloff: Neulich sagte mir jemand aus einer Behörde, von dem ich es nicht erwartet hätte, Brynja sei ein Projekt, über das sich alle positiv äußern, das gebe es sehr selten.
taz: Und dennoch haben Sie immer noch keine finanzielle Förderung. Sie machen seit drei Jahren alles Vollzeit im Ehrenamt.
Rohloff: Das stimmt. Wir sind derzeit im Gespräch mit zwei Bremer Krankenkassen und hoffen, dass es bald eine Unterstützung geben wird, die Brynja absichert.
Mental Tracks: 7. 6., 18 Uhr, Kukoon Bremen; Gespräch „Auswirkungen sozialer Medien auf die Psyche“, Musik: Fyne, Eintritt 20 Euro. Ermäßigung auf Anfrage
taz: Bisher schien es schwierig für Sie, Geld von den Kassen zu bekommen.
Rohloff: Ja, weil die zwischen Selbsthilfe und Prävention trennen und wir beides vereinen. Außerdem sind die Präventionsrichtlinien veraltet – und als kleiner, neuer Verein ist es schwer, bei den Präventionsmitteln berücksichtigt zu werden. Deshalb arbeiten wir jetzt an einem Konzept mit Mitgliedsbeiträgen.
taz: Mit denen betreiben Sie dann das „Fitnessstudio für die Psyche“?
Rohloff: Genau. Es würde dann Angebote exklusiv für Mitglieder geben, sehr viel mehr als zuvor, 15 bis 20 Veranstaltungen pro Woche, wie eine Tagesklinik, nur halt ohne Diagnose, eher präventiv gedacht. Mit den Monatsbeiträgen der Mitglieder könnten wir das Ganze dann endlich wirtschaftlich betreiben. Bisher lief das ausschließlich auf Basis von Spenden. Die werden wir allerdings in jedem Fall weiter brauchen.
taz: Haben Sie schon wieder neue Räume?
Rohloff: Nein, aber wir suchen welche, damit wir Ende des Jahres loslegen können.
taz: Einige Angebote sind aber auch ohne feste Räume weitergelaufen, oder?
Rohloff: Jetzt ist bald Sommerpause, aber unsere ADHS-Gruppe hat sich weiter getroffen und der One Day Choir ist extrem gut angekommen. Da studieren wir an einem Tag ein Gesangsstück ein, jede:r kann mitmachen. Mittlerweile muss man auch keine Noten mehr lesen können, weil wir Aufnahmen der Gesangsparts vorher verschicken können.
taz: Gibt es den „Warteraum“ noch?
Rohloff: Ja, das ist eine von mir und einem Psychotherapeuten geleitete Gruppe für Menschen, die auf einen Platz in der Klinik oder für Psychotherapie warten. Sie ist offen für neue Teilnehmer:innen. Es hat sich ein Kern von etwa zehn Personen gebildet, von denen einige schon einen Platz gefunden haben, aber trotzdem weiter kommen, weil ihnen die Gruppe so viel gibt.
taz: Vielleicht sogar mehr als die Psychotherapie?
Rohloff: Manche Teilnehmer:innen haben festgestellt, dass sie etwas gesucht haben, was sie in der Psychotherapie gar nicht finden würden. Verbindung, Gemeinschaft und Kontakt: Das ist alles so wichtig für unser Wohlbefinden und findet im Alltag so wenig statt.
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