Debatte um EU-Vorgaben für Unternehmen: Mehrheit der Mittelständler ist für Nachhaltigkeitsregeln
Laut einer Umfrage sind die meisten Firmen gar nicht gegen die Öko-Pflichten, die die EU abschwächen will. Viele sehen sogar Wettbewerbsvorteile.

Wie schief das Bild über die angeblich überbordende Bürokratie durch EU-Regeln ist, zeigt eine neue Umfrage unter über 1.000 mittelständischen Unternehmen in 26 EU-Ländern. Danach sind die Firmen gar nicht so negativ gegenüber der EU-Nachhaltigkeitsberichterstattung eingestellt, wie die aktuelle Debatte um das Omnibus-Verfahren suggeriert.
61 Prozent äußerten sich mindestens „zufrieden“ mit der 2022 verabschiedeten CSRD, nur 17 Prozent „eher unzufrieden“ oder „sehr unzufrieden“. Durchgeführt wurde die Umfrage von der Initiative „We are Europe“, einem Zusammenschluss von Unternehmern, Wissenschaftlern und Beratern, die explizit proeuropäisch eingestellt sind.
Mit der Umfrage zeigten die Unternehmen, dass sie gegen die Bevormundung und das Framing durch die meist konservativ ausgerichteten Firmenverbände seien, „gegen das ständige ‚Technosplaining‘ darüber, wie Unternehmen geführt werden sollten – oder nicht geführt werden sollten“, sagt „We are Europe“-Präsident Alexis Kryceve.
Anders als vielfach diskutiert sehen die meisten Unternehmen die CSRD als Wettbewerbsvorteil: 90 Prozent der Befragten betonten, die Richtlinie stärke die Souveränität und den wirtschaftlichen Einfluss Europas im härteren geopolitischen Wettbewerb. Das Argument, die Richtlinie untergrabe Europas wirtschaftliche Konkurrenzfähigkeit, fand bei 37 Prozent der Befragten Zustimmung.
Ein Viertel der Berichtspflichten soll abgeschafft werden
Insgesamt will die Kommission mit dem Omnibus-Paket ein Viertel der Berichtspflichten für Firmen abschaffen. Die Lieferkettenrichtlinie soll abgeschwächt werden und erst ein Jahr später als geplant in Kraft treten – Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hatte unlängst gar gefordert, sie ganz abzuschaffen.
Die von der EU vorgeschlagenen Änderungen der CSRD würden den Anwendungsbereich der Richtlinie drastisch einschränken. Statt für Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten soll die CSRD nun ab 1.000 Beschäftigten gelten. Das würde die Zahl der erfassten Firmen um bis zu 85 Prozent senken.
Auch gegen die geplante Verwässerung der Lieferkettenrichtlinie gibt es Einwände. NGOs starteten bereits eine Petition. Zudem warnen internationale Juristen davor, die Richtlinie abzuschwächen, wie der Spiegel berichtet. Nach Ansicht von 31 Autoren eines offenen Briefs würde das Fehlen eines bindenden Rechtsrahmens „direkt zu erhöhten Haftungsrisiken“ für private Unternehmen führen.
Zum Beispiel beim Klimaschutz: Firmen sollen nach den Kommissionsplänen zwar noch eigene Klimaschutzpläne erstellen, aber nicht mehr umsetzen müssen. Gegen die Energiekonzerne Totalenergies und Eni, den Autobauer VW und die Banken BNP Paribas und ING würden bereits Prozesse laufen, in denen es um die Einhaltung des Pariser Weltklimaabkommens gehe.
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