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Künstliche Intelligenz und ArbeitDer Feind ist nicht die KI

Leyla Roos
Kommentar von Leyla Roos

KI bedroht vor allem die Arbeitsplätze von Frauen. Allein auf Weiterbildungen zu setzen, ist nicht die Lösung. Wir müssen auch ans Thema Care-Arbeit.

Und wer räumt das weg? Sicher keine KI Foto: Iris Friedrich/plainpicture

D ie Zahlen der Internationalen Arbeitsorganisation der UN (ILO) sind eindeutig: Frauen sind von der Automatisierung durch KI besonders betroffen. In Deutschland könnten bis zu 9,6 Prozent der weiblichen Beschäftigten ihren Arbeitsplatz verlieren. Fast dreimal so viele wie bei Männern. Denn Assistenz- und Verwaltungsjobs, klassische „Frauenberufe“, sind besonders leicht automatisierbar. Der Feind ist hier aber nicht die „böse“ KI, sondern das patriarchale System.

Seit der Industrialisierung fürchten Menschen, dass neue Technologien ihnen ihre Jobs wegnehmen. Die Besorgnis ist teilweise berechtigt, Jobs verändern sich. Aber wir arbeiten nach wie vor. Landwirte beispielsweise arbeiten heutzutage mit Traktoren, Algorithmen, nicht mehr mit reiner Pferdestärke.

Die Automatisierung durch KI ist kein Schicksal, das einfach über uns hereinbricht. Sie macht nur sichtbar, was in unserer Gesellschaft ohnehin schiefläuft: Frauen haben schlechteren Zugang zum Arbeitsmarkt, arbeiten häufiger in Teilzeit oder in prekären Jobs. Besonders Frauen übernehmen solche Aufgaben, die durch KI ersetzt werden können. Das liegt an einer Vergeschlechtlichung von Aufgaben außerhalb der Lohnarbeit.

Das Narrativ, Frauen könnten durch die Automatisierung in neue, höherwertige Jobs wechseln, blendet aus, dass sie sich in einem System bewegen, das typisch weibliche Arbeit – bezahlt wie unbezahlt – strukturell entwertet

Care-Arbeit gilt als typisch weiblich, wird aber nicht durch eine KI ersetzt werden können. Pflege, Erziehung, Ernährung – einen Großteil der Fürsorgearbeit, die überwiegend Frauen übernehmen, müssen Menschen verrichten. Sie hält uns am Leben – und muss genau deshalb abgesichert, politisch priorisiert und auch bezahlt werden.

Die technologischen Veränderungen werden nicht unbedingt zu einem Anstieg der Arbeitslosigkeit führen, sagen die For­sche­r:in­nen der ILO. Vielmehr müssen wir lernen, die KI als Tool zu benutzen, die uns mühselige Kleinarbeit erspart. Allerdings: Das Narrativ, Frauen könnten durch die Automatisierung in neue, „höherwertige“ Jobs wechseln, blendet aus, dass sie sich in einem System bewegen, das typisch weibliche Arbeit – bezahlt wie unbezahlt – strukturell entwertet.

Die eigentliche Chance liegt nicht in der Hoffnung, dass Frauen neue Jobs finden, sondern in einer radikalen Neubewertung dessen, was Arbeit ist. Der meritokratische Ansatz sitzt tief. Wir glauben, unser persönlicher Wert hinge von unserer Leistung ab. Nur das, was produktiv, effizient und profitabel ist, gilt als richtige Arbeit. Nach dieser Logik wird auch Care-Arbeit als „nicht richtige“ Arbeit abgewertet. Und genau von dieser Vorstellung müssen wir uns trennen.

44 Prozent mehr unbezahlte Sorgearbeit leisten Frauen pro Tag im Vergleich zu Männern. Trotzdem beansprucht diese Form der Arbeit zeitliche und finanzielle Ressourcen. Fürsorgetragende erleben also fehlende Anerkennung, mentale Belastung und auch Altersarmut. Solange Care-Arbeit als private Pflichtaufgabe „nebenbei“ gesehen wird, die Frauen „aus Liebe“ und ohne Bezahlung verrichten, wird sich an der Schieflage auf dem Arbeitsmarkt nichts ändern. Wenn wir jetzt nur darüber sprechen, wie Frauen „fit gemacht“ werden für die neue Arbeitswelt mit KI, verpassen wir die Chance, einen neuen Arbeitsbegriff zu etablieren, der Fürsorgearbeit inkludiert. Es braucht eine Gesellschaft, die nicht nur von „Chancengleichheit“ in der Berufswelt redet, sondern den Wert von Sorge­arbeit anerkennt.

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Leyla Roos
hat interdisziplinäre Medienwissenschaft (Intermedia) in Köln studiert. Vorher hat sie bei MAITHINK X gearbeitet und schreibt jetzt für taz2. Darüber hinaus macht sie intersektional-feministische Aufklärung auf Social Media.

3 Kommentare

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  • " ...eine Gesellschaft, die nicht nur von „Chancengleichheit“ in der Berufswelt redet, sondern den Wert von Sorge­arbeit anerkennt."

    Ja, aber. Es wird so schnell nicht passieren.



    Und wenn, dann könnte KI auch unterstützen. Man müsste nur flächendeckende Überwachung in der Wohnung akzeptieren.



    Die KI berechnet darauf einen Zahlenwert:



    - Kind in den Arm genommen - plus 50ct.



    - sich um den Elternabend gekümmert - plus 80ct.



    - Müll runter gebracht - plus 20ct (plus weitere 30ct für die Krankenkasse, wenn die Treppe benutzt wurde)



    - Streit um den Geschirrspüler - plus 10ct



    - wer den Kleinen, wie oben im Bild, alleine mit den verschluckbaren Legosteinen lässt - minus 1 Euro (plus 1 Punkt für das Jugendamt (ab 20 Pkte gibt es eine Benachrichtigung)).

    Ok, zurück zum Ernst. Den braucht man nicht an der KI festzumachen, aber man wird nicht alles monetär abbilden können. Nur ist das der zentrale Punkt, wenn es gesellschaftsweit geregelt werden soll.

  • Seltsam, seit jeher versucht die Menschheit, sich die Arbeit leicht zu machen.



    Indem sie Ochs und Pferd den Wagen und Pflug ziehen lässt.



    Indem sie ethisch fragwürdig Sklaven ihre schwere Arbeit machen lässt.



    Indem sie Maschinen und Transmissionen nutzt, um Webstühle oder Stahlpressen anzutreiben.



    Indem sie Roboter und Automaten nutzt, um Autos oder Handys zu montieren.



    Indem sie Künstliche Intelligenz nutzt, um nervtötende Routinearbeit zu erledigen.

    Wo aber bleibt das Paradies, frei vom Zwang zur Arbeit, für alle?



    Werden nicht längst mehr Nahrung, Kleidung und Güter hergestellt als sich weg konsumieren lassen?

    Und trotzdem sollen die Menschen Angst um ihren "Arbeitsplatz" haben?



    Was läuft da schief?

  • "In Deutschland könnten bis zu 9,6 Prozent der weiblichen Beschäftigten ihren Arbeitsplatz verlieren. Fast dreimal so viele wie bei Männern."



    Fast dreimal so viel wie bei Männern?



    Das kann ich nicht so recht glauben. LKW-Fahrer, Paketdienstzusteller, Fließbandarbeiter - das sind drei riesige Berufsfelder mit exorbitantem Männerüberschuss und die sind quasi morgen obsolet - autonomes Fahren ist marktreif und in Amerika düsen längst Amazondronen durch die Vorstadthimmel, dann wirds auch bei uns für die letzten 5 Meter vom Transporter bis zur Tür reichen...



    Und auch die These "Care-Arbeit (...) wird aber nicht durch eine KI ersetzt werden können" ist direkt widerlegbar.



    In Japan pflegen bereits jetzt Roboter 🤖. Vor allem Unterhaltungsroboter in Altenheimen sind Standard, auch Tabletten werden von Robotern portioniert und zeitgenau zugeteilt. Menschliches Zutun ist dort nur noch limitiert von Nöten.



    Und Kinder werden seit Erfindung des TV gern auch mal vor eben selbigem 'geparkt' - bzw heute halt vor dem Tablet, dazu Waschmaschine, Thermo-Mix, Geschirrspüler, etc - die 'Care Arbeit @ home' wurde durch KI/Technik auch bereits massiv entschlackt und mit dem Smart Home wirds noch mehr.