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Ausweisung von Palästina-Aktivist:innenNächste Schlappe für Berlins Innenverwaltung

Nach dem Willen der Berliner Ausländerbehörde sollen vier Palästina-Aktivist:innen das Land verlassen. Das Gericht hat sich nun zum zweiten Mal dagegengestellt.

Protest gegen die Abschiebung der vier Ak­ti­vis­t:in­nen Mitte April an der Humboldt-Universität Foto: Christophe Gateau/dpa

Berlin dpa/taz | Bereits zum zweiten Mal hat das Verwaltungsgericht Berlin im Streit um die Ausreise von drei EU-Bürger:innen und einer amerikanischen Person nach der Teilnahme an antiisraelischen Protesten zugunsten der Betroffenen entschieden. Das teilte das Gericht mit. Das Land Berlin hatte ihnen die Abschiebung angedroht.

Schon am 10. April hatte das Gericht in einem ersten Eilverfahren der Beschwerde eines irischen Palästina-Aktivisten recht gegeben und den Entzug der EU-Freizügigkeit gestoppt. Am Dienstag hatte auch der zweite Eilantrag Erfolg. Das bedeutet, dass auch die ebenfalls aus Irland stammende Antragstellerin nicht abgeschoben werden darf, bis über ihre Klage in der Hauptsache entschieden ist (Az.: VG 21 L 157/25).

Wann damit zu rechnen ist, sei derzeit nicht abzusehen, so das Gericht. „Das kann gut und gern ein bis zwei Jahre dauern“, hatte Alexander Gorski vom Anwaltsteam der Ak­ti­vis­t:in­nen beim ersten Urteil im April prognostiziert. In beiden Fällen gilt der Bescheid des Berliner Landesamts für Einwanderung (LEA) vorerst nicht.

Die Ausländerbehörde hatte den beiden EU-Bürgern aus Irland sowie einer Polin im März die EU-Freizügigkeitsrechte entzogen. Im Fall der amerikanischen Person geht es um eine Ausweisung. Begründet wurde die Entscheidung mit deren Teilnahme an israelfeindlichen Protesten, bei denen es zu Straftaten gekommen war.

Innenbehörde weist auf Vorfälle an der FU hin

Die Verwaltung von Innensenatorin Iris Spranger (SPD) argumentierte, von den Personen gehe eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit der Bundesrepublik aus. Sprangers Staatssekretär Christian Hochgrebe (ebenfalls SPD) wies in dem Zusammenhang vor allem auf gewaltsame Vorfälle an der Freien Universität Berlin (FU) Mitte Oktober 2024 hin.

Vermummte sollen damals mit Äxten, Sägen, Brecheisen und Knüppeln in das Präsidiumsgebäude eingedrungen sein und Beschäftigte bedroht haben. Die FU schätzte den entstandenen Sachschaden auf mehr als 100.000 Euro.

Zu ihrer Entscheidung im ersten Eilverfahren argumentierte das Verwaltungsgericht, das LEA sei bei der Entscheidung über den Entzug der EU-Freiheitsrechte „seiner Amtsaufklärungspflicht nicht in ausreichendem Maße“ nachgekommen. Die Ausländerbehörde habe versäumt, die Ermittlungsakten bei der Staatsanwaltschaft anzufordern.

Auch die anderen Betroffenen klagen vor dem Verwaltungsgericht und wehren sich nach Gerichtsangaben ebenfalls im Eilverfahren gegen die Entscheidung. Über die Fälle entscheiden unterschiedliche Richter. Die Zuständigkeit der Kammern richtet sich nach den Nachnamen der Kläger:innen.

Im Zusammenhang mit Protesten gegen die angedrohte Abschiebung der vier Ak­ti­vis­t:in­nen war es Mitte April zu einer weiteren gewaltsamen Uni-Besetzung gekommen. In dem Fall wurde ein Hörsaal der Humboldt-Universität von rund 90 Menschen gestürmt und verwüstet. Auch hier geht die Uni von Schäden zwischen 60.000 und 100.000 Euro aus.

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2 Kommentare

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  • Lahav Schapiras antisemitischer Angreifer wird für drei Jahre weggesperrt, hier entschieden Gerichte, auch weil die Verhandlung zur FU Einschüchterung und Bedrohung noch nicht entschieden ist dürfen die vier erstmal weiter herumlaufen.

    Ironisch ist daran nur, dass die Bewegung die sie unterstützen sich gegen Freizügigkeit für jüdische oder israelische Menschen stellt.

    • @AlHozo Hoto:

      Sie bringen hier sehr viel durcheinander! Strafrecht und Verwaltungsrecht. Formelle und materielle Rechtmäßigkeit...

      Dann stellen Sie eine unzutreffende Behauptung auf:



      "auch weil die Verhandlung zur FU Einschüchterung und Bedrohung noch nicht entschieden ist dürfen die vier erstmal weiter herumlaufen."

      Nein, dass Urteil ist eine Reaktion auf das unzureichende Verwaltungsverfahren der LEA, weil diese nicht der Aufklärungspflicht nachgekommen ist. Sprich, das Urteil ist eine Reaktion auf die unzureichende Arbeit der zuständigen Behörde.

      Übrigens mit dem Strafverfahren gegen den Angreifer von Shapira hat das alles gar nichts zu!